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Die größte Verwirrung und Täuschung aller Zeiten – Zollfreiheit bzw. Freihandel können die komplizierten Probleme der afrikanischen Gesellschaft nicht lösen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                           Fekadu Bekele (Ph D)

                                                                                                                                                                                                                                                                                 30.10.2018           

Human dignity is offended when persons are denied the opportunity to participate in their own development, when development “takes place over their heads”(Yuengert M. Andrew, What is “Sustainable Prosperity for all” in the Catholic Social Tradition? in: The True Wealth of Nations – Catholic Social Thought and Economic Life. Oxford, 2010, p. 42 )

Die Produktion wirtschaftlicher Güter ist nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Sie findet statt im Hinblick auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Das ist das Endziel aller produktiven Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet. (Pesch, Heinrich, Lehrbuch der Nationalökonomie, Freiburg 1923, S. 3 )

Einführung

In den letzten 50 Jahren haben viele afrikanische Länder südlich der Sahara wirtschaftspolitische Maßnahmen, die von dem Westen kamen bzw. von der sog. internationalen Gemeinschaft, unter der Federführung des IWF und der Weltbank verordnet worden waren, praktiziert. Hierbei flossen über eine Trillion Dollar in Form von Entwicklungshilfe nach Afrika. Alle wirtschaftspolitischen Praktiken tragen den Namen Marktwirtschaft, ohne dabei zu spezifizieren, ob eine solche Marktwirtschaft auf den Grundlagen von Wissenschaft und Technologie bzw. Manufakturen aufgebaut werden soll oder nicht. Es ist auch nicht von vornherein klar, ob eine solche Marktwirtschaft zu dem Aufbau einer kohärenten gesellschaftlichen Struktur auf Basis einer breiteren Arbeitsteilung beitragen kann oder nicht. Viele afrikanische Staaten, die seit Anfang der sechziger Jahre politisch unabhängig geworden und den Empfehlungen des IWF und der Weltbank gefolgt sind, haben gehofft, dass sie Arbeitsplätze für Millionen Afrikaner schaffen würden und dadurch auch eine stabile Gesellschaft, die alle Elemente der Marktwirtschaft umfasst. Nach ca. 50 Jahren marktwirtschaftspolitischen Praktiken, die unterschiedliche Namen tragen, aber von dem Inhalt her dieselben sind, haben sich die strukturellen Krisen vieler afrikanischer Länder vertieft. Keinem einzigen afrikanischen Land ist es gelungen, eine gesunde Wirtschaft und überschaubare gesellschaftliche Strukturen aufzubauen. Zahlreiche afrikanische Länder sind immer noch von dem Export von Rohstoffen abhängig. Zunehmende Handelsbilanzdefizite und Verschuldungen bilden die Kehrseite der Abhängigkeit von Rohstoffen. Außerdem sind viele afrikanische Länder, die das Strukturanpassungsprogramm praktiziert haben, durch kulturelle, soziale und psychologische Krisen charakterisiert.

Obwohl die neoliberale Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank kläglich gescheitert ist, sind diese beiden Institutionen, die hauptsächlich die Interessen des Finanzkapitals vertreten, immer noch Hauptakteure bei den Formulierungen der Wirtschaftspolitik vieler afrikanischer Länder südlich der Sahara. Die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene militärische, ökonomische und politische Ordnung, die viel mehr die amerikanischen Interessen widerspiegelt, brachte diese beiden Institutionen dazu, aggressiv die Ideologie des amerikanischen Kapitals weltweit durchzusetzen.

Nebenbei gibt es seit mehr als drei Jahren Bemühungen seitens der Bundesrepublik Deutschland und der EU, in erster Linie dem Vormarsch Chinas auf dem afrikanischen Kontinent entgegenzuwirken. Auch sind durch die Flüchtlingswelle aus Afrika viele westliche Regierungen insbesondere Deutschland, gezwungen, ihre „Strategien“ zu ändern. Unter dem Motto „Fluchtursachen zu bekämpfen“, haben verschiedene Ministerien der Bundesrepublik Deutschland „Strategien“ entwickelt, wie sich der Flüchtlingsstrom am besten stoppen lässt. Das Finanzministerium hat mit der Weltbank, mit dem IWF und der afrikanischen Entwicklungsbank einen Plan ausgearbeitet, der den Namen „Comapct with Africa“ trägt, wobei das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit einen „Marshallplan für Afrika“ vorgelegt hat. Wiederum ist das Außenministerium mit dem Programm „Pro-Afrika“ in Erscheinung getreten. Obwohl alle diese Pläne andere Namen tragen, gibt es inhaltlich kaum Unterschiede. Alle drei Ministerien verfolgen dieselben Ziele, nämlich dem Vormarsch Chinas entgegenzuwirken und den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Als ob diese unterschiedlichen Pläne nicht ausreichen würden, hat neulich Herr Dr. Müller, der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Zollfreiheit für landwirtschaftliche Produkte aus Afrika vorgeschlagen. Ob alle diese Pläne die gewünschten Ziele erreichen und die afrikanische Wirtschaft auf den richtigen Pfad bringen werden, damit Beschäftigung und sichere Einkommen für die Masse der afrikanischen Bevölkerung erzielt werden, muss anhand der vorgelegten Pläne geprüft werden. Zweifelhaft sind auch solche Wirtschaftspläne, die mit den sozioökonomischen und politischen Realitäten vieler afrikanischer Länder nicht konform gehen, aber den Flüchtlingsstrom stoppen würden. Hinsichtlich der Erfahrungen der letzten 50 Jahre muss wissenschaftlich analysiert werden, ob diese Pläne den Bedürfnissen der afrikanischen Gesellschaft gerecht werden. Inwiefern sich die Pläne von der bisherigen neo-liberalen Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank unterscheiden, ist auch Gegenstand dieses Artikels. Da sämtliche afrikanischen Länder unterschiedliche Kulturen, Historien, Erfahrungen und auch sozioökonomische Formationen vorweisen, ist es zu prüfen, ob solche Wirtschaftspläne auf alle afrikanischen Länder anwendbar sind. Hinzu müssen die Wirksamkeit und Einflüsse solcher Wirtschaftspläne bei der Veränderung der materiellen Bedingungen und der politischen Institutionen, die für den vollständigen Aufbau einer Gesellschaft als Nationalstaat unerlässlich sind, analysiert werden. Zuerst möchte ich aufzeigen, warum die bisherigen marktwirtschaftlichen Praktiken gescheitert sind.

Das Scheitern der Modernisierungspolitik !

In den 50er und Anfang der 60er Jahre wurde die sog. Modernisierungspolitik praktiziert, ohne vorher die Grundbedingungen bzw. die Probleme der afrikanischen Gesellschaft zu studieren. Es ist von der simplen Idee ausgegangen worden, dass viele afrikanische Länder durch traditionelle Strukturen gekennzeichnet seien. Daher sei es ausreichend, in bestimmten Gebieten eine Art Modernisierungspolitik (Growth Pol) zu errichten, die letztendlich durch einen Trickle-down-Effekt alle gesellschaftlichen Bereiche in jedem Land erfassen kann. Es wurde die sogenannte Importsubstitutionsindustrialisierung eingeführt, die mit den Bedürfnissen der breiten Masse der Bevölkerung in jedem afrikanischen Land nicht in Einklang stand. Die Produktion der Konsumgüter war für eine bestimmte Schicht gedacht, um ein amerikanisches Konsumverhalten in allen afrikanischen Ländern zu verbreiten und dadurch politischen und kulturellen Einfluss zu gewinnen. Man vernachlässigte von vornherein die Befriedigung der Grundbedürfnisse, wie die Aufbereitung von sauberem Wasser, den Wohnungs- bzw. Städtebau für die Masse der Bevölkerung, die Errichtung von Polikliniken und Schulen, die Produktion von Nahrungsmitteln, um die Bevölkerung mit Vitaminen, Mineralien und Proteinen zu versorgen, und auch die Gewinnung von Energien, um die Arbeit vieler Hausfrauen zu erleichtern. Diese Art von Modernisierungspolitik wurde durch den Verkauf von Rohstoffen finanziert. Die günstigen Weltmarktpreise für Rohstoffe nach dem Zweiten Weltkrieg waren Anlass für viele afrikanische Länder, ohne Bedenken punktuell marktwirtschaftliche Elemente durchzusetzen. Nach dem Ende der Boom-Zeit, also Ende der 60er Jahre, sind die Weltmarktpreise für Rohstoffe drastisch gefallen, was den Spielraum vieler afrikanischer Regierungen einengte. Sie konnten die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr wie in den 50er Jahren und Anfang der 60er Jahre vorantreiben. Dies hat sich durch die gestiegenen Ölpreise Anfang der 70er Jahre verschlimmert.

Es ist daher kein Wunder, dass die Modernisierungspolitik, die auf den Grundideen der neoklassischen Ökonomie basierte, scheiterte. Es lag nicht im Interesse der neoklassischen Ökonomen, eine Gesellschaft allseitig, nachhaltig und auch systematisch zu verändern, um auch gleichzeitig das Bewusstsein der Masse der Bevölkerung als bewusster Bürger zu entwickeln. Für die neoklassischen Ökonomen ist lediglich entscheidend, das Konsumverhalten einer bestimmten Schicht zu verändern. Nur so kann eine Gesellschaft allmählich verändert werden. Aus Sicht der Vertreter der neoliberalen Ökonomen ist es irrelevant, durch eine systematische Bildung, Kulturförderung und Forcierung der städtebaulichen Kultur eine Gesellschaft allseitig und nachhaltig zu verändern bzw. zu entwickeln. Auch Wissenschaft und Technologie sind aus Sicht der neoliberalen bzw. neo-klassischen Ökonomen nicht wichtig. Nach Ansicht der neoklassischen Ökonomen ist nicht die Produktion, die auf breiter angelegte Manufakturen gestützt ist, die treibende Kraft, um eine Gesellschaft zu verändern, sondern der Handel ist der Motor gesellschaftlicher Transformation. Daher sorgt die unsichtbare Hand á la Adam Smith dafür, dass die Marktwirtschaft Wirklichkeit wird. Der Staat muss nicht durch eine bewusste Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in die Wirtschaftsgeschehnisse eingreifen. Afrikanische Staaten dürfen nicht den bereits erfolgreich erprobten Weg, wie in Europa im 18. bzw. 19. Jahrhundert, in Japan während der Meiji-Dynastie und in Südkorea nach dem Koreakrieg in den 60er Jahren, gehen. Sie müssen sich dem Diktat der internationalen Gemeinschaft, des IWF und der Weltbank unterwerfen. Nur so können sie erfolgreich wirtschaftlich entwickelt werden.

Diese Art des Denkens und die Forcierung der Modernisierungspolitik, die im Einklang mit der amerikanischen Außenpolitik formuliert und auch von den übrigen kapitalistischen Staaten übernommen wurde, erzeugten soziologisch gesehen in jedem afrikanischen Land eine politische, ökonomische und militärische Elite, die vielmehr die Interessen des kapitalistischen Westen vertritt. Wie John Galtung, der bekannteste schwedische Soziologe feststellte, ist durch diese Art der Durchdringung der Staatsapparate der einzelnen afrikanischen Länder eine Art strukturelle Gewalt entstanden. Die politische Elite hat, indem sie einen Unterdrückungsapparat aufbaute, unbewusst die Entstehung einer aufgeklärten Schicht verhindert. Zugleich blockiert sie auch die Entwicklung demokratischer Prozesse, die unerlässlich für die Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie auf der Basis von Manufakturen, Wissenschaft und Technologie wäre. Die politische Elite, samt den militärischen und geheimdienstlichen Strukturen, konnte daher kein soziales, ökonomisches, kulturelles, ökologisches und geschichtliches Bewusstsein entwickeln. Sie setzte ökonomische Pläne um, die irgendwo in Washington und in den restlichen westeuropäischen Metropolen formuliert worden waren. Da die politische und ökonomische Elite die ideologischen Grundlagen einer solchen neoliberalen Ökonomie nicht verstand, hat sie quasi das Diktat des IWF und der Weltbank akzeptiert und durchgesetzt. Es ist daher kein Wunder, dass keine Akkumulationsregime entstehen konnten, die auf alle Ebenen für die gleichmäßige Entwicklung einer Gesellschaft Sorge tragen würden. Stattdessen entwickelten sich inkohärente wirtschaftliche Strukturen, die den Geist der Massen verwirren. Auf dieser Basis konnte die Masse der Bevölkerung kein sicheres Einkommen erzielen, um ein würdiges Leben zu führen. Dadurch konnte auch der Staat keine breiteren Einnahmenquellen verschaffen, die wichtig wären, um andere sozial relevante Projekte zu finanzieren. So sieht das Resultat der Modernisierungswirtschaftspolitik aus, die auf der Grundlage empiristischer Wissenschaft entwickelt wurde.

Die Kultur und Wirtschaftsgeschichte Europas widerspricht aber dieser simplen Ideologie oder Sichtweise der neoklassischen bzw. der neoliberalen Ökonomen. Durch Renaissance, Reformation und Aufklärung konnten das Bewusstsein der Herrschenden und die neu aufstrebende bürgerliche Schicht gesteigert werden. Außerdem konnten die Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften das Monopol der katholischen Kirche brechen. Dadurch wurden das feudale System und dessen Ideologie ins Wanken gebracht. Dies blieb nicht ohne Folge für die Funktionsweise des „Staatapparates“. Die Monarchen, die sich bedrängt fühlten, mussten materielle Veränderungen herbeiführen. Ab dem 17. Jh. verfolgten einige westeuropäische Länder wie Großbritannien, Frankreich, und ab dem 19. Jahrhundert Deutschland eine merkantilistische Wirtschaftspolitik. Die industrielle Revolution in England konnte eine Dynamik auslösen. Länder wie Frankreich und Deutschland waren später dem Beispiel Englands gefolgt, um einen auf Manufakturen gestützten Binnenmarkt aufzubauen. Gleichzeitig hatten sie eine Zollmauer errichtet, um die einheimischen Industrien (Infant Industries) vor der Konkurrenz ausländischer Waren zu schützen. Insbesondere hatten Volkswirte wie Friedrich List die Notwendigkeit der Entwicklung der Manufakturen hervorgehoben, und gleichzeitig hatten sie die Errichtung einer Zollmauer gefordert, um zuerst einen starken Binnenmarkt aufzubauen. Nach Meinung Lists bleiben Länder, die auf Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte spezialisiert sind, in vielerlei Hinsicht rückständig und anfällig für ausländische Angriffe. Sie könnten sich auch kulturell nicht entwickeln, weil die Spezialisierung auf die landwirtschaftliche Produktion und Rohstoffe eine sehr begrenzte Dynamik aufweist. Dagegen besäße die Manufakturrevolution eine innere Dynamik und entfalte sich, insofern zusätzliche Faktoren eingeführt würden. Nur so könne die Entwicklung der Manufakturen und des Maschinenbaus ein Land dazu befähigen, sich auf allen Ebenen zu entwickeln. Trotzdem müssten die aufgeklärten Intellektuellen in Europa einen erbitterten Kampf gegen störende und feste feudale Strukturen führen, damit das ganze System liberalisiert wird. Nur so könnte Europa von den Fesseln des Feudalismus und der Ideologie der katholischen Kirche befreit werden und das Licht der Freiheit erblicken.

Um einen starken Binnenmarkt und eine Gesellschaft aufzubauen, wurden Städte, Dörfer, Straßen und Eisenbahnlinien gebaut. Für diese Zwecke wurde die Masse der Bevölkerung mobilisiert. Städte wie Paris, Wien und Salzburg und andere westeuropäische Städte konnten nur aufgebaut werden, indem die Massen mobilisiert wurden. Zu behaupten, dass für all diese Entwicklungen die treibende Kraft eine unsichtbare Hand sei, stellt eine Verdrehung der Tatsachen dar. Da marktwirtschaftliche Aktivitäten nur in geordneten Räumen stattfinden können, hatten die Monarchen bewusst oder unbewusst den Bau von Städten, Kanalsystemen, Brücken und Straßen vorangetrieben. Nur so konnten sie sich als Nationalstaat und Gesellschaft behaupten. Des Weiteren gab es intensivere Debatten über die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik, die das Bewusstsein der Massen allmählich formte. Insbesondere hatten sich die deutschen Sozialpolitiker und Ökonomen des 19. Jahrhunderts mit den marktwirtschaftlichen Praktiken der englischen Vertreter der puren marktwirtschaftlichen Ideologie auseinandergesetzt und die Notwendigkeit einer Sozialpolitik betont, um eine Schieflage der Gesellschaft zu verhindern. Es war daher wesentlich einfacher für Westeuropa, eine nach innen orientierte Wirtschaftspolitik auf Basis der Manufakturen durchzusetzen. Nur so kann eine Gesellschaft allseitig entwickelt werden.

Dieser von mir geschilderte Entwicklungsweg Westeuropas enthält aber nicht die volle Wahrheit. Die kapitalistische Entwicklung in Europa verlief nicht eigenständig. Der Sklavenhandel und die Sklavenarbeit, der Kolonialismus sowie die Einführung der sog. internationalen Arbeitsteilung, die die Kolonien zwang, nur jene Produkte anzubauen, die für Westeuropa bestimmt waren, und die regelrechte Vernichtung der schon existierenden Arbeitsteilung sowie die absichtliche Verhinderung bestimmter Technologien in den Kolonien begünstigten die kapitalistische Akkumulation in Westeuropa. Diese Ausbeutung dauert bis heute an, und die verschiedenen Formen der marktwirtschaftlichen Ideologien sind nichts anderes als die Fortführung der alten Arbeitsteilung und Ausbeutung mit anderen Mitteln. Adam Smith erwähnt in seinem Buch, in „The Wealth of Nations“ diesen Aspekt der kapitalistischen Entwicklung in Europa nicht. (Brown,  2010) Ebenso wird dieser Tatbestand in den neoklassischen Lehrbüchern nicht erwähnt. Nach Ansicht sowohl der klassischen als auch der neoklassischen Ökonomen ist die unsichtbare Hand bzw. die Marktwirtschaft der Motor solcher kolossalen Entwicklungen in allen kapitalistischen Ländern einschließlich den Vereinigten Staaten.

Dieser Weg der kapitalistischen Entwicklung in Europa wurde aber vielen afrikanischen Ländern verwehrt. Afrikanische Länder wurden zu Rohstofflieferanten degradiert. Staaten, die einen anderen und selbständigeren Weg einschlagen wollten, wurden bekämpft. Sie sollten von innen destabilisiert werden. Nach der politischen Unabhängigkeit wurden mindestens 60 Putschversuche verübt, um unliebsame Regierungschefs, wie Dr. Kwame Nkrumah, Dr. Milton Obote und Thomas Sankara, zu stürzen. An die Stelle solcher charismatischen Figuren wurden Diktatoren wie Idi Amin an die Macht gebracht, die für die Ermordung tausender von Intellektuellen und demokratisch gesinnten Persönlichkeiten verantwortlich sind. Die positive und selbständige wirtschaftliche Entwicklung in Uganda, Ghana und Burkina Faso war ein Dorn in den Augen der alten Kolonialherren. Deswegen hatten sie die Ermordung zahlreicher Intellektuellen und die Destabilisierung dieser Länder in Kauf genommen.

Nachdem die Modernisierungspolitik gescheitert war, hat es diverse Konferenzen gegeben, um Afrika und anderen Entwicklungsländern zu „helfen.“ Das Millennium Development Goals 2015 (MDG) und das Agenda 2030 der „Nachhaltigen Entwicklung“ mit 17 Zielen, die von der UNO formuliert und von 169 Mitgliedsländern unterzeichnet worden waren, mussten von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Um die beiden Ziele zu realisieren, wurde kein Paradigmenwechsel vollzogen, sondern versucht mit den gleichen Methoden den Strukturkrisen, die in vielen afrikanischen Ländern existierten, Herr zu werden. Es ist nicht möglich, die Millennium Development Goals zu verwirklichen, ohne dabei politische und institutionelle Reformen herbeizuführen. Es ist bekannt, dass viele afrikanische Staaten und das politische System nicht dazu geeignet sind, einen solchen Plan zu realisieren. Die Ressourcen, einschließlich Grund und Boden, werden nicht von der Masse der Bevölkerung kontrolliert, sondern von der politischen und ökonomischen Elite und ausländischen Konzernen. Auch sind die existierenden rudimentären Technologien nicht dazu geeignet, das Millennium-Ziel und die nachhaltige Entwicklung zu realisieren. Außerdem setzt das Programm nicht die Beteiligung der Massen an einem solchen Plan voraus. Die Millennium Goals sind nicht anders als eine technokratisch gedachte Maßnahme, um eine sinnvolle und holistische Wirtschafts- und Sozialplanung von vornherein zu verhindern. Ebenso geht die Agenda 2030 an der Realität vorbei. Es wurde von vornherein nicht die Frage gestellt, warum die diversen Programme, die von der internationalen Gemeinschaft und den internationalen Institutionen, wie dem IWF und der Weltbank, immer wieder praktiziert werden, nicht funktionieren. Wenn sich mit solchen Fragen und den Problemen, die vor Ort existieren, nicht auseinandergesetzt wird, kann kein Wirtschaftsprogramm für Afrika ausgearbeitet werden.

Es hat sich gezeigt, dass solche Konferenzen reine Ablenkungsmanöver darstellen, um die Armut und Unterentwicklung in Afrika und in anderen Entwicklungsländern zu verlängern. Nur so kann immer wieder die ökonomische und politische Elite verwirrt werden. Es ist bekannt, dass eine tatsächliche Entwicklung nur von innen heraus bewusst organisiert und induziert werden kann. Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die von internationalen Institutionen wie dem IWF, der Weltbank, den G-20 oder G-7 Staaten und der UNO nahestehenden Organisationen organisiert und als Programm verabschiedet werden, verschlimmern die Wirtschafts- und Sozialprobleme vieler afrikanischer Länder. Da diese Institutionen immer wieder dasselbe Medikament verordnen und verabreichen, das auf der neoliberalen Doktrin basiert, können die tiefgreifenden Wirtschafts- und Sozialprobleme in Afrika nicht gelöst werden.

Das Strukturanpassungsprogramm und seine Auswirkungen!  

Das Strukturanpassungsprogramm ist das Resultat der veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der 70er Jahre. Nach der Ölkrise Anfang der 70er Jahre, nach der Beendigung der Boom-Phase in allen kapitalistischen Staaten, ist die Zeitalter des Keynesianismus bzw. der Intervention des Staates vorbei. Für die damals entstandene ökonomische Krise wurde der Keynesianismus verantwortlich gemacht, obwohl klar war, dass nach dem Zweiten Weltkrieg staatliche Interventionen unerlässlich waren, um die kaputte Wirtschaft, die zerbombten Städte sowie die Brücken und Fabriken usw. wieder aufzubauen. Es wäre unmöglich gewesen, durch die reine unsichtbare Hand eine derart zerstörte Gesellschaftsordnung wiederaufzubauen und für die Masse der Bevölkerung Brot und vier Wände zu garantieren. Die neoliberalen Ökonomen, die immer wieder verkennen, was eine Gesellschaft ist, und auch den Entstehungsprozess einer kapitalistischen Gesellschaft nicht verstehen, reduzieren jede Gesellschaft auf eine Arena, in der nur Wirtschaftsaktivitäten stattfinden werden. Nach Ansicht der neoklassischen Ökonomen hat jedes Individuum ein einziges Ziel, nämlich seinen Nutzen zu maximieren. Diese am Nutzen orientierte Ideologie ist verantwortlich für die heutige Misere nicht nur in vielen kapitalistischen Gesellschaften, sondern auch in allen übrigen Weltgesellschaften. Die Unordnung in vielen Teilen der Weltgesellschaft und die Verantwortungslosigkeit der Herrschenden in vielen Teilen der Welt, die Gier nach Macht und Geld, die zunehmende ökologische Degradierung, die durch Raubbau entsteht, und die kriegerischen Auseinandersetzungen, die das Leben unschuldiger Menschen kosten, sowie die Entstehung des Terrorismus sind Teile dieser Art aggressiver Vorgehensweisen der neoliberalen Ökonomen gegenüber anderen Kulturen und gegen die Natur. Die Natur wird als Objekt der reinen Ausbeutung verstanden. Um mehr Reichtum und Profite anzuhäufen, müssen die Natur und gesellschaftliche Ordnungen geopfert werden. Indem eine einseitig orientierte, dem Gesetz der Natur und Gesellschaften widersprechende Wirtschaftspolitik verfolgt wird, muss die Weltgemeinschaft ein einziges Ziel anstreben, nämlich die Marktwirtschaft. Keine Gesellschaft darf nach bestimmten Ordnungen und Prinzipien kultiviert und gepflegt werden, sondern alles muss dem Markt überlassen werden. Menschen müssen und dürfen nicht bewusst handeln, indem sie nach dem Sinn des Lebens fragen, sondern sie müssen den Gesetzen der Marktwirtschaft folgen. Diese Art des Denkens wird als abendländische bzw. westliche Kultur verstanden und weltweit verkauft. Obwohl die größten Philosophen und Theologen seit der Antike bis in das 19. Jahrhundert hinein anderes gelehrt haben, wurden Gesellschaften auf eine bestimmte Ideologie, nämlich die Marktwirtschaft, reduziert. Nach dieser Lesart muss zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus gewählt werden. Indem sich von vornherein auf eine bestimmte Ideologie festgelegt wurde, sind andere Alternativen ausgeschlossen worden. Ich meine aber nicht, dass marktwirtschaftliche Prozesse nicht notwendig sind. Marktwirtschaft und staatliche Interventionen müssen so koordiniert werden, dass die Grundprobleme einer Gesellschaft gelöst werden können. Um dies effektiv zu gestalten und die bestehenden Probleme wirksam zu lösen, sind Wissenschaft und Technologie unerlässlich. Schließlich gibt es ohne Wissenschaft und Technologie keine tatsächliche Wirtschaftsentwicklung.

Diese Ideologie der freien Marktwirtschaft, die alle Gesellschaften ohne Wenn und Aber akzeptieren müssen, wurde im Jahre 1979 von Premierministerin Thatcher und Präsident Reagan verkündet. Das spezifische Programm, das für Afrika vorgesehen war und von der Chicagoer Wirtschaftsschule formuliert wurde, ist als „Washington Consensus“ bekannt. Dieses Programm wird wiederum von kritischen Ökonomen und Gesellschaftskritikern als Schock-Doctrin (Klein, 2007) bezeichnet. Das bedeutet, dass das Gehirn bzw. der Geist der Menschen in Afrika und in anderen Entwicklungsländern von allen Elementen, die die Durchsetzung der freien Marktwirtschaft verhindern, frei sein muss. Der Geist muss wie eine Tabula rasa sein, damit nur die Ideologie der freien Marktwirtschaft in ihn eingepflanzt werden kann. Durch eine Schocktherapie müssen die Menschen wachgerüttelt werden, damit sie endlich in der Welt der freien Marktwirtschaft ankommen. In diesem Sinne müssen afrikanische Regierungen das Diktat des IWF und der Weltbank unbedingt akzeptieren. Nur so können sie Anspruch auf Wirtschaftskredite haben. Sie müssen den Regeln der Weltregierung unterworfen werden. Lediglich unter dieser Bedingung kann jedes Land marktwirtschaftliche Wunder erleben und sich den Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft, die von einigen kapitalistischen Ländern beherrscht und kontrolliert werden, anpassen. Obwohl von der Durchsetzung der Marktwirtschaft in jedem Land gesprochen wird, kann die Anpassung nicht nach innen, sondern nur nach außen stattfinden, um den Bedürfnissen der kapitalistischen Ökonomie gerecht zu werden. Das heißt, die alte Arbeitsteilung muss mit anderen Programmen und Vorzeichen fortgesetzt werden, um damit eine systematische Industrialisierung in jedem afrikanischen Land zu verhindern. Gleichzeitig müssen durch diverse Methoden wie Verschuldungsmechanismen, Verschlechterung des Terms of Trade und die Forcierung einer einseitig orientierten Wirtschaftspolitik, wie durch die Plantagenökonomie und den Ressourcenabbau, die Akkumulationsbedingungen für den Westen aufrechterhalten bzw. verbessert werden.

In der Tat ist das Strukturanpassungsprogramm nicht dazu geeignet, eine kohärente Wirtschaftsordnung auf der Basis von Manufakturen, Wissenschaft und Technologie entstehen zu lassen. Im Gegenteil hat das Programm einen inhärenten Mechanismus, um gesellschaftliche Strukturen noch chaotischer zu gestalten und die Menschen orientierungslos zu machen. Weil die Experten des Strukturanpassungsprogramms gesellschaftliche Entwicklungen nicht als Prozess und evolutionär verstehen, die gepflegt und gut organisiert sein müssen, verschreiben sie wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zu dem anderen Gesellschaftssystem nicht passen.

Als das Strukturanpassungsprogramm verkündet wurde, litten viele afrikanische Länder unter enormen Handelsbilanzdefiziten und zunehmender Verschuldung. Zahlreiche afrikanische Länder waren nicht mehr im Stande, die alten Projekte zu Ende zu bringen sowie neue Projekte zu planen und zu finanzieren. Daher benötigten sie Finanzspritzen, um ihre Haushaltsdefizite zu decken. Um Kredite aufzunehmen, müssen sie aber die Bedingungen des IWF und der Weltbank akzeptieren. Die Formeln sind simpel, aber ziehen verheerende Auswirkungen nach sich, wenn sie umgesetzt werden. Länder, die unter dem Regime der Strukturanpassungsprogramme fallen, müssen die Wirtschaft komplett deregulieren. 1. Die Währung muss in jedem Land in Bezug auf den Dollar abgewertet werden. Nach der Wirtschaftslogik des IWF und der Weltbank kann das Land, das seine Währung abwertet, viel mehr Rohstoffe auf dem Weltmarkt absetzen. Dadurch wird die Handelsbilanz verbessert. 2. Die Wirtschaft muss sowohl nach innen als auch nach außen liberalisiert werden. Durch diese Maßnahmen wird die Marktwirtschaft von den Zwängen des Staates befreit. Die Allokation von Ressourcen wird dem Preissignal folgen. Außerdem werden ausländische Investoren bereit sein zu investieren. Wie, wo und in was sie investieren, ist völlig egal. Staaten dürfen keine Vorschriften machen. Ansonsten widerspricht die staatliche Kontrolle den Regeln der freien Wirtschaft. 3. Industrien und Dienstleistungen, die im Besitz des Staates sind, müssen privatisiert werden. Dadurch wird der Wettbewerb belebt und es entstehen Arbeitsplätze. 4. Um ihre Haushaltsdefizite in den Griff zu bekommen, müssen die Ausgaben für soziale Zwecke wie Gesundheit, Schule und Subventionen von Nahrungsmitteln erheblich reduziert werden. 5. Der öffentliche Dienst muss schlank gemacht werden, um Haushaltsdefizite abzubauen bzw. Ausgaben zu reduzieren. Mit anderen Worten, muss ein Teil der staatlichen Angestellten freigestellt werden. Durch diese Art der simplen Formeln glaubten viele afrikanische Länder, dass sie ein Wunder der Marktwirtschaft erleben würden.

Wie erhofft und auch laut der Überzeugung von Experten konnte die neoliberale Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank nicht funktionieren. Stattdessen hat die Verschuldung vieler Länder stark zugenommen. Zahlreiche afrikanische Länder, die unter das Diktat des IMF und der Weltbank gefallen sind, konnten ihre Handelsbilanzdefizite nicht abbauen. Die Handelsbilanzdefizite haben eher zugenommen. Durch das Strukturanpassungsprogramm ist die bestehende Strukturkrise vertieft und nicht gelindert worden. Die Privatisierung hat nicht für Wettbewerb und Innovation gesorgt. Stattdessen profitierte eine bestimmte Schicht von der Privatisierung der Industrien und dem Dienstleistungssektor. Durch das Strukturanpassungsprogramm hat sich das Einkommensgefälle zwischen der reichen Schicht der Bevölkerung und den Armen erheblich vergrößert. Die neue reiche Schicht ist nicht innovativ geworden. Stattdessen hat sie ihr Konsumverhalten erheblich verändert. Die Einführung von Luxuswagen und anderen Luxusartikeln, wie Smartphones, der Bau von Hochhäusern und Hotels nahmen einen größeren Anteil der Devisen weg, die für strategische Investitionen benötigt wurden. Auch ist eine Plantagenökonomie wie der Anbau von Blumen, Zuckerrohr und anderem entstanden. Im Namen der Liberalisierung wurde Land Grabbing im großen Stil betrieben. Kurzum hat das Strukturanpassungsprogramm in vielen afrikanischen Ländern unlösbare Probleme geschaffen. Die ökonomische und soziale Krise haben eher zugenommen, als dass sie gelöst wurden.

Das Wirtschaftswachstum, das einige afrikanische Länder verzeichneten, basiert nicht auf breiteren Manufakturaktivitäten, Technologie und Wissenschaft, sondern eher auf dem Dienstleistungssektor, wie dem Bau von Hotels und nicht bedeutenden Wirtschaftsaktivitäten, wie der Eröffnung von Internetcafés. Es entstand keine systematische Arbeitsteilung, die in der Lage wäre, die Arbeitslosigkeit zu absorbieren. Andererseits entwickelten sich durch die Praktizierung des Strukturanpassungsprogramme Slums, und der sog. informelle Sektor wuchs überproportional. Um Hotels für Touristen und Experten und auch Hochhäuser für Geschäfte zu bauen, sind die unerwünschten und armen Teile der Bevölkerung mit Gewalt von ihren Grundstücken und Hütten vertrieben worden. Des Weiteren wurden viele afrikanische Hauptstädte zum Müllplatz hoch giftiger Gebrauchsgüter wie Elektroschrott, die aus den europäischen Metropolen kommen, degradiert. Die Kinder, die an den Schrottplätzen in den Hauptstädten, wie Accra, Elektronikteile suchen und sammeln, sind Lungen- und Leberkrank.

Politisch gesehen zementierte das Strukturanpassungsprogramm die bereits existierenden Machverhältnisse. Im Namen der Terrorismusbekämpfung ist der Staatsapparat in vielen afrikanischen Staaten brutal aufgebaut. Geheimdienstliche Strukturen sind verfeinert worden, um demokratische Rechte zu untergraben. Unter dem Regime der neoliberalen Wirtschaftspolitik konnte keine Rechtsstaatlichkeit entwickelt und entfaltet werden. In vielen afrikanischen Ländern werden staatliche Strukturen und die Politik als Privateigentum der Präsidenten und ihrer Familien betrachtet. Dies wiederum begünstigt die Entstehung eines Räuberstaats (Predatory State). Diese Art von Staaten, die in vielen afrikanischen Ländern und auch in Latein- und Zentralamerika existieren, begünstigen und ebnen den Weg für die Plünderung der Ressourcen Afrikas durch andere Staaten. Die Haupakteure sind die westlichen multinationalen Konzerne und Chinesen, die auf die Ausbeutung von Rohstoffen spezialisiert sind. Ohne Verarbeitung und Herstellung von Endprodukten werden die Rohstoffe nach China und in die westlichen Staaten exportiert. Die Umwelt und die sozialen Schäden, die die multinationalen Konzerne aus dem „zivilisierten Westen“ anrichten, sind enorm. Die in Afrika tätigen Vertreter der multinationalen Konzerne wohnen in besonderen Vierteln, ausgestattet mit allen modernen Möglichkeiten, wobei die arbeitende Bevölkerung unter sklavenähnlichen Bedingungen lebt. Die Konzernvertreter verhalten sich nicht wie zivilisierte Menschen, sondern wie Herren, als ob sie besondere Eigenschaften besitzen und von einem anderen Planeten kommen. Für ihr Verhalten und gesetzloses Vorgehen gegen die arbeitende Bevölkerung bekommen sie Unterstützungen und Privilegien. Es ist daher einfach nachvollzuziehen, warum in vielen afrikanischen Ländern kriegerische Auseinandersetzungen stattfinden. Die unter dem Vorwand der Religion und ethnischer Konflikte geführten kriegerischen Auseinandersetzungen sind nichts anderes als Stellvertreterkriege. Dies ist die Hauptursache der Migration und die Mutter aller sozialen, ökonomischen und kulturellen Krisen, die in vielen afrikanischen Ländern existieren. Hinsichtlich dieser verworrenen und komplizierten Situation, ist die Masse der Bevölkerung in Afrika machtlos. Abgesehen von einigen Journalisten, wie Tim Burgis der in seinem Buch “The Looting Machine“ (2016) systematisch die Situation beschreibt, sind die meisten westlichen Journalisten nicht geneigt, die Wahrheit zu sagen. Alle Berichterstattungen und Analysen, die außerhalb der Mainstream-Medien dargestellt werden, werden als Verschwörungstheorien abqualifiziert.

Das Strukturanpassungsprogramm soll näher betrachtet werden, um zu verstehen, warum es nicht im Stande ist, die sozialen und ökonomischen Krisen, die in vielen afrikanischen Ländern existieren, zu lösen. Die Experten des IWF und der Weltbank sehen die Probleme, wenn sie solche Programme empfehlen, isoliert und nicht zusammenhängend. Zweitens gehen sie von falschen Prämissen aus, um die ökonomischen Krisen zu „lösen.“ Drittens meinen sie, wenn sie über Strukturkrisen reden, vielmehr Manifestationen, wie Handelsbilanz- und Haushaltsdefizite, und nicht Armut und chaotische Zustände, die in vielen afrikanischen Ländern existieren. Viertens fragen sich die Experten von dem IWF und der Weltbank nicht, warum ihre Wirtschaftspolitik immer wieder Slums und Armut in großem Ausmaß produziert und reproduziert. Fünftens wollen sie überhaupt nicht verstehen, dass sie mit einem falschen Modell, das kaum geeignet ist, komplexe Gesellschaftsprobleme zu lösen, operieren. Sechstens betrachten sie das jeweilige afrikanische Land nicht als Gesellschaft. In den Augen der neoliberalen Ökonomen gibt es in jedem Land nur Individuen und nicht eine Gesellschaft, die zusammenwirkend agiert. Siebtens zählen in den Augen der Experten nur 5% der Bevölkerung, und der Rest ist überflüssig (redundant). Daher wird das Programm eher dazu neigen, nicht Armut zu beseitigen, sondern Rahmenbedingungen für den Transfer von Ressourcen aller Art in die Industrieländer zu schaffen. Das Strukturanpassungsprogramm, das aus ungleichgewichtigen Situationen abgeleitet und formuliert wird, schafft selber noch mehr Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten auf allen Ebenen in einer Gesellschaft. Statt eine strukturierte Ökonomie, die mehr Reichtum und Wohlstand bewirken kann, werden die Ressourcen eines Landes vergeudet. Sowohl die Arbeitskräfte als auch die knappen Ressourcen, die in jedem Land vorhanden sind, werden nicht systematisch eingesetzt, um Armut und Hunger zu beseitigen.

Die Annahmen, die der IWF und die Weltbank zugrunde legen, sind an sich keine Strukturkrisen, sondern eher Ausdruck der politischen, sozialen und ökonomischen Strukturen, die in zahlreichen afrikanischen Ländern existieren. Viele afrikanische Länder haben keine funktionierenden Ökonomien. 1. Der Manufaktursektor ist unterentwickelt. 2. In vielen Ländern existiert kein Maschinenbau, der für die Entwicklung und Entfaltung einer Wirtschaft unerlässlich ist. 3. Der Dienstleistungssektor ist überproportional verbreitet. 4. Die Landwirtschaft wird unter archaischen Bedingungen angebaut. 5. Der informelle Sektor und die Subsistenzwirtschaft sind die Hauptreproduktionsgrundlagen der Masse der Bevölkerung. 6. Die Masse der Bevölkerung ist nicht lohnabhängig und hat daher kein geregeltes Einkommen. 7. Der Bankensektor ist unterentwickelt. Daher ist die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes sehr langsam. 8. Es gibt keine systematische Verkettung zwischen den verschiedenen Sektoren. 9. Daher existiert keine Makroökonomie in vielen afrikanischen Ländern. Für eine funktionsfähige Wirtschaft müssen wettbewerbsfähige kleine und mittelständische Industrien existieren. 10. Die Arbeitsteilung ist am niedrigsten entwickelt. Nur unter der Bedingung arbeitsteiliger Ökonomien kann Wertschöpfung entstehen. 11. Die meistens Industrien sind in wenigen Städten angesiedelt. 12. Städte und Dörfer sind nicht systematisch und planmäßig gebaut. 13. Es gibt kein vernetztes Eisenbahnsystem. In den Städten herrschen chaotische Zustände. 14. Sauberes Wasser ist Mangelware. 15. Die Kanalisation und das Abwassersystem funktionieren nicht ordentlich. 16. In keinem afrikanischen Land existieren umfangreiche moderne Institutionen auf Landesebene, die die Belange der Bevölkerung wahrnehmen. Ca. über 80 % der Bevölkerung in jedem afrikanischen Land sind schutzlos. Es ist daher leichter für die sog. ausländischen Investoren, die Ressourcen des jeweiligen Landes zu plündern. 17. Es gibt kaum bewusst organisierte zivile Bewegungen und Parteiensysteme.

Wenn wir die Makroökonomie des IWF und der Weltbank akzeptieren, kann die Makroökonomie nur unter diesen Bedingungen existieren. Hinsichtlich dieser Aspekte ist es nicht klar, was der IWF und die Weltbank unter makroökonomischen Ungleichgewichten verstehen. Das Hauptproblem liegt darin, dass die Experten des IWF und der Weltbank die sozioökonomischen Formationen bzw. die ökonomischen Strukturen afrikanischer Länder nicht richtig ablesen. Ihre Methode ist nicht wissenschaftlich, und daher interpretieren sie die Realitäten in den afrikanischen Ländern falsch. Deswegen funktioniert die neoliberale Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank nicht. Die empiristische Weltanschauung, die sie vertreten und weltweit propagieren, verblendet die politische und Wirtschaftselite in Schwarzafrika. In den Augen der Experten, die eine neoliberale Sichtweise vertreten, ist die Masse der Bevölkerung in Afrika kein denkendes Wesen. Daher hat sie keine Gefühle und Träume. Diese inhumane Sichtweise des IWF und der Weltbank, die den Menschen nicht als Hauptakteur sieht und auch nichts davon wissen will, dass jedes Land bewusst und allseitig aufgebaut werden sollte, damit es als Gesellschaft gedeihen und fortleben kann, verursacht ständig soziales Chaos, nicht einfach lösbare ökologische und kulturelle Krisen. Das Denken und die Praktiken, die die afrikanischen Regierungen von den internationalen Akteuren übernommen haben, bilden die Hauptursache der Auswanderung in andere wohlhabende Staaten. Wenn Menschen keine Perspektiven in ihrem jeweiligen Heimatland sehen und ständig terrorisiert werden, werden sie gezwungen ihr Heimatland zu verlassen.

Wenn man die Krise in Afrika begreifen will, muss analytisch anders herangegangen werden als bisher. Wie Professor Schulmeister in seinem Buch „Der Weg zur Prosperität“(2018) feststellte, sind neoklassische bzw. neo-liberale Sichtweisen pure Ideologien. Genauso hat Professor Yanis Varoufakis, der frühere Finanzmister Griechenlands festgestellt, dass der Neo-liberalismus keine Wirtschaftspolitik ist. Normalerweise muss ein Land mit einer Wirtschaftspolitik, in Kombination mit Wissenschaft und Technologie, aufgebaut werden. Wird die Wirtschaft als Wissenschaft verstanden, lassen sich Probleme, die zu sehen sind, leicht lösen bzw. beseitigen. Leider kann die neoliberale Wirtschaftspolitik nur den Reichtum von der ärmeren Schicht der Bevölkerung zu der reicheren verlagern, und gleichzeitig schafft dies neue soziale Krisen. Daher ist sie gegen die Aufklärung und wie im Mittelalter gegen wissenschaftliche und technologische Entwicklungen. Sie ist gegen eine Kulturrevolution, die unerlässlich ist, um die kognitive Kraft der Menschen zu schärfen. Kulturgeschichtlich kann wahre Veränderung nur zustande kommen, wenn der Geist durch richtiges Wissen versorgt und geformt wird. Nur so kann jeder Mensch rational denken und handeln sowie seine Lebensbedingungen verändern. Daher ist die neoklassische bzw. die neoliberale Sichtweise nicht dazu geeignet, eine gesunde Gesellschaft auf den Grundlagen von Wissenschaft und Technologie aufzubauen. Um die Auswirkungen der neoliberalen Wirtschaftspolitik zu erfahren, kann Äthiopien als „Musterland des rapiden wirtschaftlichen Wachstums der letzten 15 Jahre“  näher betrachtet werden, das das Strukturanpassungsprogramm umsetzen musste, wie es der IWF und die Weltbank vorschrieben.

Fallbeispiel Äthiopien:- Die Auswirkung des Strukturanpassungsprogramms !

Während des Krieges zwischen Italien und Äthiopien, also zwischen 1935–1940,  hatte Italien viele Industrien, einige Städte, Eisenbahnlinien, Radiostationen und Sonstiges gebaut, in der Hoffnung, lange in Äthiopien als Kolonialmacht bleiben zu können. Die Äthiopier hatten aber mit einem sehr starken patriotischen Gefühl gekämpft und nach fünf Jahren erbittertem Krieg wurden die Italiener vertrieben. Obwohl die Briten nicht auf der Seite der patriotischen Kräfte standen und alles Mögliche unternahmen, damit Äthiopien den Krieg nicht gewinnen konnte, kamen sie mit Kaiser Haile Selassie als Schutzmacht zusammen. Die Briten  nutzten die Schwäche Äthiopiens aus, und bauten alle Industrien, Eisenbahnlinien, Radiostationen und sonstigen Anlagen ab. Diese wurden nach Indien und zu anderen Orten abtransportiert. Diese vorsätzliche und intrigante Haltung der Briten hat Äthiopien in das Mittelalter zurückgeworfen. Indem die Briten die Schwäche des Landes ausnutzten, entzogen sie die Grundlagen für die Entstehung einer Mittelschicht. Kaiser Hailes Selassie musste also von vorne anfangen, um seine Dynastie aufrechtzuerhalten. Zugleich führte er wieder den Feudalismus ein, der während des Krieges verschwunden war. Damit machte der Kaiser den größten Fehler und schuf die Grundlagen für soziale und ethnische Konflikte.

Seit Anfang der 50er Jahre, also während der Kaiser-Zeit hatte die damalige Regierung von Kaiser Haile Selassie, beraten von den internationalen Institutionen, die sogenannte Importsubstitutionsindustrialisierung eingeführt. Diese Art der Industrialisierung hat aber die Entwicklung des Landes nicht vorangetrieben. Der Kaiser konnte das Land nicht wirklich modernisieren, indem er institutionelle Reformen in dem ganzen Land einführte. Er verließ sich auf die alte feudale Struktur, und die zaghafte Industrialisierung zementierte die feudalen Strukturen. Die Hungerkatastrophe von 1973, die das Leben von ca. einer halben Million Menschen kostete, war ein Ausdruck der feudalen Strukturen, des Herrschaftssystems und der punktuell eingeführten Modernisierungspolitik, die hauptsächlich auf einer Importsubstitutionsindustrialisierung basierte.

Die Forderung nach Bodenreformen und Demokratie waren Ausdruck der Unzufriedenheit der damaligen jungen Generation. Die Revolution von 1974 war nicht geplant, zeigte aber die Schwäche des Regimes, das nicht bereit war, mit demokratischen Mitteln eine adäquate Antwort auf die brennenden sozialen Krisen zu geben. Während der Revolution kam es zu unnötigen blutigen Auseinandersetzungen, die das Leben von tausenden Intellektuellen und jungen Menschen kosteten. In- und ausländische Kräfte waren daran beteiligt, Reformen zu verhindern. Die Reformen wurden von ausländischen Kommentatoren und von denjenigen Kräften, die diese verhindern wollten, fälschlicherweise als sozialistische Revolution interpretiert. Deshalb musste das Militärregime mit allen Mitteln von der Macht entfernt werden. Bewusst wurde die Militärregierung in die kriegerische Auseinandersetzung verwickelt, damit sie die Kontrolle über sich selbst verlor. In der Tat war die Militärregierung in ihrer Vorgehensweise brutal, zum Teil faschistisch. Fast 100 % der Armee bis zu den Generälen waren „Produkte“ der amerikanischen Militärakademie und sie hatten daher keine sozialistische Orientierung. Sie hatten sich nicht von der feudalen und patriarchalischen Denkweise emanzipiert. Es kann ihre Brutalität nur erklärt werden, wenn man die feudalen Strukturen, die feudale Erziehung und diese Form der militärischen Ausbildung in Betracht zieht. Kurzum, sie waren nicht aufgeklärt und vertraten keine liberale Auflassung. Es lässt sich diese Art faschistischer Vorgehensweisen mit der in Latein- und Zentralamerika vergleichen, die in den 70er und 80er Jahren üblich war. Die rückständigen Leute wurden so ausgebildet, damit sie jede demokratische Forderung und Reform mit dem Kommunismus gleichsetzten. Es ist daher falsch zu behaupten, dass man sich innerhalb weniger Wochen und Monate von der alten Denkweise loslösen und sozialistisch denken kann.

Nach Lesart der internationalen Gemeinschaft, und vor allem nach Meinung des IWF und der Weltbank, hatte die damalige Militärregierung in Äthiopien, die das Land von 1974–1991 regierte, eine sozialistische Planwirtschaft praktiziert. Die sozialistische Planwirtschaft ist daher verantwortlich für die Hungerkatastrophe und Wirtschaftskrise, die das Land bis dato heimgesucht hatten. Diese Art der „Planwirtschaft“ widerspricht den Gesetzen der Marktwirtschaft und daher musste sie mit allen Mitteln bekämpft werden. Nach Überzeugung der neoliberalen Ökonomen bringt die Einführung der neoliberalen Marktwirtschaft Glück für die Masse der Bevölkerung. Dies ist die Grundvoraussetzung für die Machtübernahme von Meles Zenawi, dem Premierminister von Äthiopien, den die internationale Gemeinschaft unter der Federführung Großbritanniens und der Vereinigten Staaten präsentiert hatte.  Nur so konnten die unsichtbaren Hände der Marktwirtschaft von den Zwängen des Staates befreit werden.

Wie vorgeschrieben, hat die neue „Zivile Regierung“ unter Meles Zenawi die Deregulierung vorangetrieben. Die Währung des Landes wurde im Oktober 1992 in Bezug auf den Dollar in der ersten Phase von 2,05 äthiopischen Birr für einen Dollar auf fünf äthiopische Birr abgewertet. Äthiopien kann jetzt seine landwirtschaftlichen Produkte wie Kaffee, Sesam und sonstigen Produkten viel stärker als früher auf dem Weltmarkt absetzen. Auch muss die Regierung die staatlichen Betriebe privatisieren und die Wirtschaft als Ganzes liberalisieren. Dies lockt ausländische Investoren an, nach Äthiopien zu kommen und zu investieren. In der Tat hat diese Art marktwirtschaftlicher Liberalisierung den Dienstleistungssektor belebt. Die Abwertung der äthiopischen Währung konnte aber nicht den Import ausländischer Waren verhindern. Stattdessen importierte das Land viel mehr Waren, als es exportieren konnte. Die intensive Aktivität auf dem Dienstleistungssektor und der Bau von Hotels sorgten für mehr Wachstum. Das viel gepriesene Wirtschaftswachstum basiert auf dem Dienstleistungssektor, dem Bau von Hotels und zunehmenden Handelsaktivitäten, die nur in wenigen Städten, insbesondere in der Hauptstadt, stattfinden. Ausländische Unternehmen bevorzugten den Blumenanbau, den Anbau von Erdbeeren und sonstiger agrarischer Produkte für den ausländischen Markt. Somit konnten die ausländischen Investitionen nicht dazu beitragen, den inländischen Binnenmarkt auf ein technologisches Fundament zu stellen und auf das ganze Land auszudehnen. Kurzum hat das viel gepriesene Wirtschaftswachstum nicht für mehr Innovation und Wettbewerb gesorgt. Unter diesen Bedingungen konnte auch die Jugendarbeitslosigkeit nicht abgebaut werden. Die Profiteure des wirtschaftlichen Wachstums sind wenige Leute, die der Regierung nahestehen, und Geschäftsleute, die sich auf Export- und Importaktivitäten spezialisiert haben. In den letzten 20 Jahren hat die Konzentration des Reichtums in wenigen Händen stark zugenommen. Eine Handvoll Leute konnten viel mehr Grundstücke kontrollieren, als sie zu nutzen in der Lage waren. Wegen dieser Art von Marktwirtschaft hat sich der Staat selbst in einen Räuberstaat verwandelt. In bestimmten Regionen im Süden des Landes wird das Land Grabbing im großen Stil betrieben. Weil die Bauern schikaniert werden und sich bedroht fühlen, müssen sie ihre Grundstücke verlassen und irgendwohin fliehen. In diesen Gebieten entstand eine Art Plantagenökonomie. Getreide aller Sorten, die dort angebaut werden, werden nach Saudi-Arabien, China und Indien exportiert, wobei Zucker, Sesam und Leinsamen unverarbeitet in den Westen exportiert werden. Um diesen Aspekt des Land Grabbing und Raubbaus zu zeigen wurde ein Film mit dem Namen das „Grüne Gold“ von dem aus Schweden stammenden Joakim Demmer gedreht. Andererseits importiert die Regierung Öl aus Thailand und Indonesien, indem sie Millionen von Dollar bereitstellt. Wegen der schlechten Qualität des importierten Öls sind viele Äthiopier an den Nieren und ähnlichen Krankheiten erkrankt.

In der Hauptstadt wurden die Bewohner bestimmter Bezirke von ihren Grundstücken vertrieben. Weil die Vertriebenen keine Wohnung hatten und auch keinen Schutz finden konnten, wurden einige in der Nacht von Hyänen gefressen. Das sind Tatsachen und keine Propaganda. Auf diesen Grundstücken wurden meistens Hotels und Luxusvillen gebaut, wobei mehrere Tausend Hektarland einfach unbenutzt eingesäumt worden sind. Die jetzige Regierung unter Dr. Abiy Ahmed beschlagnahmt die ungenutzten Flächen. Es ist daher kein Wunder, dass seit der Einführung des Strukturanpassungsprogramms Slums wie Pilze aus dem Boden schießen – im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Regierungen. Mit anderen Worten, konnte die Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank das Land nicht schön gestalten und das Volk nicht reich machen. Stattdessen ist die Gesellschaft chaotischer als früher. Marktwirtschaftliche Aktivitäten konnten nicht transparent und ordentlich gestaltet werden. Die Tatsache, dass gebrauchte Waren eingeführt werden, hat zu den chaotischen Zuständen in den Städten geführt.

Bei näherer Betrachtung hat in Äthiopien, wie der IWF, die Weltbank und die Financial Times behaupten, kein Wirtschaftswachstum stattgefunden, das das Land unabhängig gemacht hätte. In den letzten 27 Jahren haben die Handelsbilanzdefizite eher zugenommen. Zurzeit beträgt das Handelsbilanzdefizit ca. 13,7 Milliarden Dollar, wobei die Verschuldung des Landes bei 29,5 Milliarden Dollar liegt. Zugleich hat die Regierung ca. 30 – 60 Milliarden Dollar in Form von Entwicklungshilfen, von den USA, der EU und den einzelnen europäischen Staaten, für ihre freundliche Marktwirtschaftspolitik und ethnische Politik, die das Land viel instabiler gemacht hat, bekommen. Der frühere Premierminister, Meles Zenawi, wurde als Freund des Westens und zu respektierender Staatsmann gelobt obwohl sein Regime repressiver war, tausende Leute in Gefängnisse eingesperrt hat und viele ermorden ließ.

Es ist erstaunlich zu lesen und zu hören, wie einige Leute, die sie sich als Wissenschaftler bezeichnen, den Versuch unternehmen, die ethnische Zusammensetzung in Äthiopien prozentual zu erfassen, statt über die sozialen Schichten zu schreiben. Die kapitalistische Durchdringung der äthiopischen Gesellschaft, die sich in der sogenannten Modernisierung manifestiert, hat in gewisser Hinsicht die Entstehung von Einkommensklassen bei allen Nationalitäten ermöglicht. Es entstand daher aus jeder ethnischen Gruppe eine arbeitende Bevölkerung – Bauern, Büroangestellte, Beamte, Manager, Unternehmer und Händler usw. Daher sind die Einkommensklassen nicht ethnisch erfassbar, weil sie gemischt zusammenarbeiten. Dementsprechend identifizieren sich die Elite und die verschiedenen Einkommensklassen nicht in erster Linie mit ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern mit ihren Kollegen und Freunden, die mehr oder weniger das gleiche Konsumverhalten und die gleiche Denkweise haben. Was die Esskultur anbetrifft, essen die meisten unabhängig von ihrer Herkunft dasselbe Essen, wobei es regionale Unterschiede und Unterschiede hinsichtlich der Einkommensklassen gibt. Wenn man die Melodien aller Volksgruppen hört, gibt es kaum Unterschiede zwischen den Ethnien. Daher kann die äthiopische Gesellschaft nicht in ethnische Einheiten zerlegt werden, um die Anzahl der verschiedenen ethnischen Gruppen zu erfahren. Da in den letzten 500 Jahren eine starke Vermischung innerhalb der äthiopischen Gesellschaft stattgefunden hat, lassen sich die Nationalitäten nicht differenzieren. Die Sprache an sich kann kein hinreichendes Kriterium sein, um eine Gruppe als Oromo und die andere als Amharas zu charakterisieren. Wiederum sind viele Begriffe der Oromo-Sprache in der amharischen Sprache integriert. Die Geschichte Äthiopiens zeigt, dass viele Oromos in die herrschende Aristokratie integriert waren und einige waren Feudalherren. Außerdem gibt es viele Amharas, die fließend die Oromo-Sprache sprechen, und umgekehrt.

Es ist daher soziologisch und politisch falsch und wissenschaftlich unzulässig, die Anzahl der verschiedenen Ethnien prozentual zu erfassen. Dies ist nicht die Aufgabe, auf die sich das Gebiet der Demografie bzw. Bevölkerungspolitik spezialisiert haben. Nur Leute, die politisch motiviert sind und etwas anderes im Sinn haben, versuchen darüber zu schreiben, indem sie auf der Seite einiger Gruppen, die sich als Oromo bezeichnen, stehen. Dies ist der Fall in den letzten 60 Jahren. Indem einige Protestanten und Entwicklungshilfe-Organisationen ausschließlich auf der Seite der Oromos stehen, statt Brüderlichkeit und Liebe als Botschaft Jesus Christi zu verbreiten, haben sie systematisch die existierenden Differenzen ausgenutzt, damit ethnische Konflikte entstehen. Bei genauerem Hinschauen sind ethnische Konflikte, die in jeder Gesellschaft existieren, Manifestationen einer falschen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die ungleiche Entwicklung, die das Resultat der Modernisierungspolitik darstellt, die nicht in der Lage ist, Nationalreichtum zu schaffen, erweitert und vertieft die existierenden ethnischen Konflikte. Die falsche Wirtschaftspolitik benachteiligt alle ethnischen Gruppen, die nicht in die obere Hierarchie des Herrschaftssystems aufsteigen konnten. Andererseits gibt es wohlhabende Leute aus verschiedenen ethnischen Gruppen. Einige Oromo-Eliten geben sich, obwohl sie die Nutznießer des Systems sind, alle Mühe, die äthiopische Sozial- und Kulturgeschichte falsch zu interpretieren. Solch verwirrten Eliten können durch politisch motivierte ausländische Gruppen manipuliert werden, um von innen heraus die äthiopische Gesellschaft zu destabilisieren.

Trotz Armut und sozialer Konflikte ist Äthiopien ein sehr schönes Land mit unterschiedlichen Klimazonen. Es gibt zahlreiche Gebirge, Flüsse und Tiere besonderer Art. In Äthiopien wachsen alle Arten von Getreiden, die sonst so nicht angebaut werden können. Früchte aller Arten wachsen in dem Land. Es werden auch reichlich Kaffee und Tee angebaut. Es darf aber diese Schönheit nicht mit den sehr schlechten sozialen und ökonomischen Situationen, die hauptsächlich Ausdrücke des politischen Systems sind, nicht verwechselt werden. Mit anderen Worten, wie behauptet wird,  hat die Wirtschaftspolitik des IWF und der Weltbank nicht die Armut reduziert bzw. keine Wunder vollbracht. Wegen der Strukturanpassungsprogramme, die die Regierung gezwungen war zu praktizieren, sind viele widersprüchliche Sachen entstanden. Aufgrund der Abwertung der Landeswährung ist die Teuerungsrate erheblich gestiegen. Inländische Unternehmer, die Ersatzteile und Maschinen aus dem Ausland einführten, mussten die Produktionskapazitäten erheblich reduzieren, weil sie es sich nicht leisten konnten, unter den neuen Wechselkursverhältnissen so viele Millionen äthiopische Birr bereitzustellen. Dies führte zu einer Entlassung mehrerer Tausender Arbeitnehmer. Während der ersten Privatisierungsphasen wurden ca. 50 000 Arbeitnehmer entlassen. Insbesondere  haben die Privatisierung und Abwertung der einheimischen Währung die ärmere Schicht der Bevölkerung hart getroffen. Weil die Regierung und einige reiche Leute ungeplant und unbedacht Hotels und Hochhäuser bauen, benötigen solche Anlagen viel Wasser und Energie. Daher ist sauberes Wasser Mangelware in der Hauptstadt. Häufig müssen die Bewohner der Hauptstadt schmutziges Wasser trinken. Da der Strom oftmals ausfällt, bekommen die Bewohner von Addis Abeba dies zu spüren. Viele Leute in den Städten haben kein geregeltes Einkommen, und daher müssen die meisten unter dem Existenzminimum leben. Es herrscht in dem Land ein versteckter Hunger, der nicht zu sehen ist. Insbesondere sind ältere Menschen betroffen, weil sie keine Rente bekommen. Es gibt keine staatlichen Leistungen für die schwächere Schicht der Bevölkerung wie im Westen. Wegen zunehmender Armut müssen viele tausende Menschen ihr Essen in den Müllbergen suchen. Da die Müllberge in der Hauptstadt so angewachsen sind, wurden Personen, die in der Nähe der Müllberge leben, von dem rutschenden Müll erfasst, und mehr als hundert Leute haben ihr Leben verloren. Daher ist die Armut in Äthiopien vielsichtiger, als optisch in der Hauptstadt zu sehen, wo schöne Hotels, Bars und Hochhäuser vorhanden sind. Wenn dies und die sozialen und kulturellen Schäden sowie die zunehmende Luft- und Wasserverschmutzung (Externalities), die ökologische Degradierung und die Abholzung der Bäume zu diesem Wirtschaftswachstum addiert wird, entsteht ein negatives Wachstum.

Bei genauerer Betrachtung sind die kulturellen Schäden des Strukturanpassungsprogramms enorm, so dass keine Regierung in der Lage ist, diese zu beseitigen. In den letzten 27 Jahren sind mafiaähnliche Strukturen entstanden, und die Regierung von Meles Zenawi ist mitverantwortlich für diese Entwicklung. Die jetzige Regierung von Dr. Abiy bekommt dies zu spüren und versucht es zu bekämpfen. Des Weiteren haben Kinderprostitution und Organverkäufe erheblich zugenommen, weil viele Kinder und Jugendliche kein Geld haben, ihr Leben zu bestreiten. Da die Drogenabhängigkeit weit verbreitet ist, hat sich das Zusammenleben zwischen den Älteren und Jüngeren erheblich erschwert. Es ist auch eine gewollte Strategie von den Befürwortern der neo-liberalen Wirtschaftspolitik, um eine Gesellschaft wie Äthiopien unregierbar zu machen. Es ist wie eine Art Opiumkrieg, damit Konfusion und Orientierungslosigkeiten entstehen.

Wird wiederum das Wirtschaftswachstum unter die Lupe genommen, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Blühende Städte wie Jimma und Agaro sind in den letzten 27 Jahren verfallen. In diesen und anderen Hauptstädten der verschiedenen Regionen sind Strom und Wasser Mangelwaren. Die Straßen sind so kaputt, dass es schwierig ist Auto zu fahren. Aktuelle Berichte und Analysen bestätigen dies. Es gibt kaum wirtschaftliche Aktivitäten in diesen und anderen Städten, die in der Lage sind, Arbeitsplätze für Millionen von Leuten zu schaffen.

Es ist daher wissenschaftlich falsch, aus den wenigen Situationen ein Gesamtbild zu zeichnen und zu behaupten, dass in dem gesamten Land eine tatsächliche Modernisierung im Gange sei. In dieser sehr mangelhaften Betrachtungsweise fehlen soziologische und politische Aspekte. Die politischen und staatlichen Verhältnisse, die zunehmend repressiv geworden sind, werden von vielen Journalisten und denjenigen, die sich Wissenschaftler nennen, nicht in Betracht gezogen. Soziologisch gesehen, sind die Nutznießer des Strukturanpassungsprogramms nicht die Masse der Bevölkerung, sondern eine Handvoll Menschen. Dementsprechend ist das Konsumverhalten dieser Schicht enorm gewachsen. Man sieht auf die Straßen in der Hauptstadt, wie diese wenigen Personen Luxuswagen, die man selten hier in den europäischen Metropolen sieht, fahren. Zunehmende Armut und eine Verlagerung des Reichtums in die Hände einzelner Leute sind zwei Seiten derselben Medaille. Es ist daher falsch zu schreiben, dass Äthiopien „vom Hungerland zum Hoffnungsträger“( Kaps et al., 2018) geworden ist. Diese empiristische Sichtweise verwirrt die heranwachsende Generation und verleitet sie dazu, diese Art von Berichterstattung als wahr zu akzeptieren, was zurzeit in Äthiopien herrscht. Man ist dazu verleitet, diese Art deformiertes Wachstum mit dem tatsächlichen Wachstum, das auf Wissenschaft und Technologie aufgebaut ist, zu verwechseln. Ein tatsächliches Wirtschaftswachstum ist organisch und zeigt eine innere Dynamik. Es kann langsam, aber sicher ein ganzes Land erfassen. Wenn so berichtet wird wie bisher, werden die Elite und die junge Generation nicht gezwungen, über diese Situation hinauszudenken.

Das jetzige Regime unter Premier Dr. Abiy Ahmed gibt sich Mühe, das Bild des Landes zu verändern. Obwohl er ein liberaldenkender Mensch ist, ist er in viele Widersprüche verwickelt. Es ist immer noch nicht klar, welchen wirtschaftspolitischen Kurs er praktizieren möchte. Das Regime behauptet weiterhin, dass es ein vom Staat gelenktes Wirtschaftsmodell (Developmental State) wie in Südkorea umsetzt, obwohl das Gegenteil der Fall ist, nämlich ein neo-liberales Modell herrscht. Politisch konnte sich Dr. Abiy Ahmed nicht von den alten Garden emanzipieren. Er ist von sehr rücksichtlosen und zurückgebliebenen Menschen umgeben, die auf keinen Fall bereit sind, sich zu ändern. Zugleich bemüht sich die internationale Gemeinschaft darum, ihn einzuverleiben, damit er die alte Rolle spielen kann. Die Saudis und die Amerikaner versuchen Äthiopien von den Einflüssen der Chinesen zu befreien. Der Westen will aber nichts Besseres anbieten als die Chinesen. Es liegt auch nicht im Interesse des Westens, ein voll entwickeltes und selbstbewusstes Äthiopien mit einer aufstrebenden Mittelschicht zu sehen. Dieses alte Credo, das ein anderes Japan, Südkorea oder China auf dem afrikanischen Kontinent nicht entstehen darf, ist in den Köpfen der amerikanischen und britischen politischen Eliten tief verankert.

Die Chinesen füllen daher die Lücke aus, und versuchen selber zu agieren, indem sie Straßen bauen, und sich an den sogenannten Industrieparks beteiligen, bzw. in diese investieren, um eine neokoloniale Politik moderner Prägung zu betreiben. Daher steckt die Regierung von Dr. Abiy Ahmed in einem sehr großen Dilemma. Obwohl sich das Land selbständig entwickeln kann, ist vielen nicht bewusst wie sie die Ressourcen des Landes mobilisieren können. Ich bin tief davon überzeugt, dass eine nicht kontrollierte und nicht intellektuell unterstützte, theoretisch und wissenschaftlich nicht verifizierbare ausländische Investition dem Land eher schadet als nutzt. Die ausländische Investition kann nicht in der Lage sein, einen auf Wissenschaft und Technologie gestützten Binnenmarkt aufzubauen. Das ausländische Engagement kann nicht aufklärerisch wirken, stattdessen unterdrückt es die Energie und Kreativität der Bevölkerung. Die letzten 40 Jahren direkter Investitionen (FDI), die in vielen lateinamerikanischen und einigen asiatischen Ländern getätigt wurden und immer noch werden, konnten all diese Länder nicht umfassend entwickeln. Die ausländische direkte Investition, die ein Bestandteil der Globalisierung der kapitalistischen Produktionsweise ist, um die primitive Form der Akkumulationsbedingungen für die Zentren zu schaffen, hat alle diese Länder chaotischer und unregierbarer gemacht. Insbesondere fanden sich in Brasilien und Mexico mafiaähnliche Strukturen, die vermengt mit dem Staatsapparat repressiver und brutaler geworden sind. Die staatlichen Strukturen in vielen latein- und zentralamerikanischen Ländern sind dysfunktional. Da die ausländischen direkten Investitionen nur unter den Gesichtspunkten billiger Arbeitskräfte, minimaler Sozialstandards und fehlender Berücksichtigung ökologischer Aspekte betrieben werden, bringen sie eher ökonomische und soziale Krisen in den Ländern hervor. Auch entstehen keine Wertschöpfung und Verkettung (Linkages), die für die Entwicklung des Binnenmarktes unerlässlich sind. Es werden keine Forschungen und Entwicklungen umgesetzt, wo direkte Investitionen stattfinden. Außerdem werden die Profite versteckt in Form von Transferpreisen in das Ausland transferiert. Mit anderen Worten, wird keine systematische Investition getätigt. Kurzum verhindert die ausländische direkte Investition die allseitige Entwicklung eines Landes. Nützliche Kulturen und Ethik, Anbaumethoden und Kulturpflanzen, die von Generation zu Genration übertragen worden sind, werden durch ausländische direkte Investitionen und ihr aggressives Verhalten vernichtet. Dies gefährdet wiederum die Vielfältigkeit und den Weltfrieden.

Der einzige Weg, der viel-versprechend ist, besteht darin, sich von den Zwängen der internationalen Gemeinschaft zu befreien. Diese und eine andere Regierung darf nicht noch einmal eine neo-liberale Wirtschaftspolitik, die Ressourcen vergeudet, chaotische Zustände schafft, damit die Masse der Bevölkerung desorientiert lebt, auf dem äthiopischen Boden praktizieren. Kurzum muss diese Regierung auf die Kraft der Vernunft setzen und das Volk Vertrauen um eine harmonische und schöne Gesellschaft zu etablieren. Wie jedes afrikanische Land besitzt auch Äthiopien viel Potential und Kraft, um eine selbsttragende Ökonomie auf den Grundlagen breiterer Arbeitsteilung, Wissenschaft und Technologie aufzubauen. Es ist eine Frage der Zeit, dass die Äthiopier den richtigen Weg finden. Es ist wie ein Naturgesetz, dass Länder, die zurzeit auf vielen Gebieten Hegemonie ausüben, diese irgendwann verlieren und von anderen Ländern ersetzt werden. Es ist unter den jetzigen globalen Bedingungen nicht möglich, das, was in den letzten 40 oder mehr Jahren ausgeübt wurde, fortzusetzen. Zwangsläufig treten Ermüdungserscheinungen auf und solche kolossalen Entwicklungen, die keine Rücksicht auf Menschen und natürliche Ressourcen nehmen, werden an ihre Grenzen stoßen. Diese Art von Ungerechtigkeit, Ungleichgewicht und zunehmender Ausbeutung von Ressourcen und Menschen ist kein Dauerzustand. Vor diesem Hintergrund versuche ich, die Programme, die von den verschiedenen Ministerien ausgearbeitet worden sind, um Afrika zu helfen, dahingehend zu analysieren, ob die Programme dazu taugen, die komplexen Probleme der afrikanischen Gesellschaft zu lösen.

Gut gemeint, aber nicht realisierbar!

Es ist ein Ritual geworden, dass bei jedem großen Gipfel über Afrika und die dort herrschenden Wirtschaftskrisen diskutiert wird. Dieselbe Experten und Staaten, die hauptsächlich für die wirtschaftlichen und sozialen Krisen des Kontinents mitverantwortlich sind, treten wieder als Hauptakteure auf, um über Afrika zu besprechen. Die Pläne und Versprechungen, die immer wieder verkündet werden, haben bisher die Grundkrise der afrikanischen Gesellschaft nicht verändert bzw. beseitigt. Weil die Akteure und die Methode ein und dasselbe sind, konnte es nicht funktionieren. Stattdessen haben sich die wirtschaftlichen und sozialen Krisen des Kontinents verschlimmert.

Das im Rahmen der G-20 Konferenz im Auftrag der G-20 Finanzminister des IWF, der Weltbank und der afrikanischen Entwicklungsbank in Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitete Wirtschaftsprogramm, das den Namen „Compact with Africa“ trägt, ist nichts anderes als ein neues neo-liberales Konzept. Wie und was angepackt wird, ist nicht ganz klar. Ich habe in meiner englischen Publikation vom 04.09.2017 zu der Untauglichkeit des Programms ausführlich Stellung bezogen. In dem Programm stehen lediglich, drei Aspekte, die als Probleme bzw. als Ursache des Kontinents identifiziert worden sind, nämlich, 1. makroökonomische Rahmenbedingungen (Macroeconomic Framework), 2. geschäftliche Rahmenbedingungen (Business Framework), 3  Rahmenbedingungen der Finanzierung  (Financing Framework). Was dies mit der Entwicklung einer Gesellschaft zu tun hat, ist nicht ganz deutlich. In meiner Analyse habe ich lediglich aufgezeigt, dass der Plan nicht von den Grundproblemen der afrikanischen Gesellschaft ausgeht, sondern Rahmenbedingungen für ausländische Investoren bereitstellt. Der Aspekt Raum, also geordnete Städte mit entsprechenden baulichen Strukturen, die unerlässlich sind für Investitionen und Geschäftsaktivitäten, sind nicht das Thema eines solches Programms, das den Anspruch erhebt, das Problem in Afrika endlich anzupacken. Die brennenden Probleme der afrikanischen Gesellschaft, wie die Erfüllung der Grundbedürfnisse, kommen nicht ansatzweise in dem Programm vor. Was, wie und für wen investiert wird, wird nicht von der afrikanischen Bevölkerung bzw. von den Regierungen selbst bestimmt, sondern von den sogenannten ausländischen Investoren. Bei solchen Investitionen geht es in erster Linie darum, dort zu investieren, wo sich maximale Profite erzielen lassen. Dadurch werden die verschiedenen Investitionsetappen, die für gesellschaftliche Veränderungen erforderlich sind, nicht angesprochen. Der Plan übersieht auch die Notwendigkeit, eine systematische Arbeitsteilung auf Landesebene einzuführen, die gebraucht wird, um eine Gesellschaft sowohl materiell als auch spirituell zu verändern. Kurzum wird in dem Plan die Notwendigkeit einer systematischen Industrialisierung Afrikas auf den Grundlagen von Manufakturen, Wissenschaft und Technologie nicht vorgesehen. Das Programm „Compact with Africa“ geht von nicht vorhandenen Parametern aus, wie makroökonomischen Parametern, die in vielen afrikanischen Ländern nicht existieren. Sehen Sie bitte die kritische Auseinandersetzung oben in diesem Text. Insofern die Grundbedingungen der afrikanischen Gesellschaft, wie das repressive politische System und dessen Strukturen, nicht verändert werden, kann ein solches Programm nicht realisiert werden

Wenn man alle Pläne, wie den Marshallplan für Afrika und den Plan Pro-Afrika anschaut, sind die Grundgedanken dieselben. Wird der Marshallplan für Afrika mit dem Marshallplan in Deutschland verglichen, handelt es sich um zwei gegensätzliche Programme. Mit dem Marschallplan für Europa hatte man damals die zerstörten Städte, Straßen, Brücken, Wohnungen etc. in nur 15 Jahren vollständig wiederaufgebaut. Der systematische Wiederaufbau insbesondere Deutschlands machte das Land zu einer der führenden Nationen der Welt, und Deutschland ist heute Exportweltmeister. Damals spielte die Intervention des Staates in der Wirtschaft eine entscheidende Rolle um eine geordnete gesellschaftliche Struktur zu schaffen. Ohne die staatlichen Eingriffe und ohne die Schaffung der Kreditanstalt für den Wiederaufbau wäre es Deutschland nicht möglich gewesen, eine funktionsfähige und dynamische Wirtschaft aufzubauen. Dabei spielte die Mobilisierung aller Kräfte, die in der Lage waren, zu arbeiten eine entscheidende Rolle bei dem Wiederaufbau Deutschlands.  Daher gab man sich damals Mühe, die wichtigsten Probleme der Menschen, wie fehlenden Wohnraum, den Mangel an sauberem Wasser, Heizmöglichkeiten und Strom sowie ausreichende Nahrungsmittel, zu lösen. Wenn ein Land diese Bedingungen erfüllt hat, kann es zu den nächsten Etappen übergehen. Alle diese Aspekte sind aber in dem Marshallplan für Afrika nicht vorgesehen.

Auf alle Fälle sind die drei Pläne nicht von den afrikanischen Regierungen in Konsultation mit den afrikanischen Intellektuellen und der Bevölkerung ausgearbeitet worden. Obwohl in den Plänen von der Notwendigkeit der Entwicklung und Friedenssicherung als Hauptziel die Rede ist, sind sowohl die Ursachen für die Nicht-Entwicklung der afrikanischen Gesellschaft als auch die der vielen Kriege, die in Afrika toben, nicht thematisiert worden. Insofern sind die Ursachen für die Unterentwicklung der afrikanischen Gesellschaft und die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht ansatzweise angesprochen bzw. nicht erkannt worden, und von daher kann kein geeigneter Plan entworfen werden. Auch wurde nicht der Versuch unternommen, die bisherigen wirtschaftspolitischen Praktiken des IWF und der Weltbank in Frage zu stellen und zu erfahren warum der sog. Modernisierungsplan als auch das Strukturanpassungsprogramm gescheitert sind. Es ist daher nicht möglich einen wirksamen Plan auszuarbeiten. Außerdem ist nicht explizit klar mit welchen wissenschaftlichen Methoden bzw. Theorien die verschiedenen Programme entworfen worden sind.  Es ist bekannt, dass es ohne hinreichende Theorie und wissenschaftliche Methodik keine Praxis geben kann. Aus den Plänen lässt sich allerdings ableiten, dass die Programme nichts anderes sind als eine Fortsetzung der bisherigen neoliberalen Wirtschaftspolitik, die auch immer wieder der IMF und die Weltbank den afrikanischen Regierungen empfehlen und vorschreiben. Kurzum gibt es keinen Paradigmenwechsel um die afrikanische Krise zu lösen und die Gesellschaft grundlegend zu verändern.

Nach meiner Meinung können die gesellschaftlichen Probleme in den verschiedenen afrikanischen Ländern nur holistisch gelöst werden. Ob dieser Weg zur Marktwirtschaft führt, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass in erster Linie die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und psychologischen Krisen in jedem Land systematisch behoben werden, um eine funktionsfähige Gesellschaft aufzubauen. Dabei spielt die Befriedigung der Grundbedürfnisse eine zentrale Rolle. Ohne Vitamine, Mineralien und proteinhaltige Lebensmittel können der menschliche Körper und Geist nicht leistungsfähig arbeiten. Es ist auch bekannt, dass in der modernen Zeit Aspekte, wie Wohnung, medizinische Versorgung und schulische Ausbildung, im Vordergrund stehen müssen, um eine nachhaltige Gesellschaft aufzubauen. Leider werden diese Faktoren, die wichtig sind für alle Menschen, unabhängig von Rassen, Religionen, ethnischen Zugehörigkeiten, nicht ansatzweise angesprochen. Wenn man die Grundbedürfnisse außeracht lässt,  kann man  Afrika nicht unterstützen.

Freihandel bzw. Zollfreiheit kann nicht die Migration stoppen!

Es ist merkwürdig, eine „Lösung“ vorzuschlagen, ohne sich dabei mit den Ursachen der Flucht auseinandergesetzt zu haben. Es wird immer wieder davon gesprochen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, ohne dabei auch die Ursachen zu benennen, die junge Afrikaner zwingt ihr Heimatland zu verlassen. Insofern die Ursachen nicht benannt und erkannt werden, ist es problematisch, eine angemessene Lösung zu präsentieren. Es ist daher fraglich, ob die Flucht aus Afrika mit Freihandel bzw. Zollfreiheit gestoppt werden kann. Es ist bekannt, dass fast alle afrikanischen Länder nur landwirtschaftliche Produkte, die auch zum Teil in Griechenland, Spanien, Italien und Portugal angebaut werden, anbieten können. Viele tropische Produkte werden auch aus Latein-und Zentralamerika nach Europa importiert. Die Frage lautet, wie viel Tonnen aller agrarischen Produkte afrikanische Länder auf dem europäischen Markt absetzen sollen, um genügend Devisen zu bekommen und ihre Wirtschaft zu modernisieren sowie Arbeitsplätze für Millionen junge Afrikaner zu schaffen, damit die Flüchtlinge dort bleiben.

Wenn wir von der Terminologie Freihandel ausgehen – abgesehen von einigen Korrekturen oder Abmachungen –, bedeutet dies nichts anderes, als den Markt eines Landes für ausländische Waren ohne Zoll frei zu halten. Wie ich in meinem Buch „African Predicaments and the Method of Solving them Effectively“ aufgezeigt habe, konnten die heutigen kapitalistischen Länder einschließlich Südkorea, Japan und China ihre Wirtschaft und Gesellschaft modernisieren und technologisch entwickeln, indem sie eine quasi merkantilistische Wirtschaftspolitik praktizierten. Als sie erfolgreich ihr jeweiliges Land aufgebaut hatten, konnten sie langsam ihre Märkte öffnen. China tat das Gleiche. Nachdem es 30 Jahre lang eine nach innen gerichtete Wirtschaftspolitik praktiziert hatte, ist es im Jahre 2005 der WTO beigetreten. Es ist daher für afrikanische Länder nicht ratsam, ein Freihandelsabkommen mit Europa oder den USA einzugehen. Obwohl einige afrikanische Länder, wie Namibia, Botswana, Swasiland und Lesotho, bereits ein Abkommen mit der EU erzielt haben, trägt dieses Abkommen nicht dazu bei, die Armut, Ungerechtigkeit und Abhängigkeit von wenigen Exportgütern ansatzweise zu reduzieren. Das Abkommen verstärkt und zementiert sogar die Armut, und die bestehenden Machtstrukturen, die hauptsächlich die Ursachen dieser Manifestationen sind. Das Abkommen hat an sich keine aufklärerische und zivilisatorische Mission und zwingt afrikanische Bauern immer wieder dieselben Produkte anzubauen. Der Freihandel zeigt keine transformative Wirkung. Mit anderen Worten, findet keine gesellschaftliche Modernisierung auf allen Ebenen statt, wenn ein zurückgebliebenes Land ein Freihandelsabkommen mit einem kapitalistischen Land oder einer Organisation unterzeichnet hat. Die Lebens- und Arbeitsweisen der afrikanischen Bauern bleiben für mehrere Generationen unverändert. Unter Umständen können nur jene Kräfte profitieren, die auf den Export tropischer Produkte spezialisiert sind. Das heißt, das Abkommen hat vielmehr zerstörerische Kraft, als einen Beitrag zu der Wirtschaft dieser Länder auf den Grundlagen von Manufakturen, Wissenschaft und Technologie zu erbringen.

Dieses Abkommen und die von Herrn Dr. Müller, dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, ins Gespräch gebrachte Zollfreiheit können die komplexen Probleme der afrikanischen Gesellschaft nicht lösen. Sie lenken die politischen Entscheidungsträger in Afrika von der Realität ab.  In der Realität trägt die EU zu den wirtschaftlichen Problemen schwarzafrikanischer Länder bei. Afrikanische Regierungen werden immer wieder gezwungen, ihre Märkte zu liberalisieren, ansonsten bekommen sie keine Kredite bzw. Entwicklungshilfe. Der Fall Ghana zeigt, dass mit dieser Art Druckmittel die Existenz der kleinen Bauern, die Geflügel züchten, zerstört werden kann. Ghana musste, Fleischprodukte, die hier in Europa nicht auf dem Markt verkauft werden dürfen, einführen. Die Fischereipolitik der EU ist wiederum ein Paradebeispiel, wie die Existenz der Fischer in Senegal und der übrigen westafrikanischen Küste zerstört wird. Das bedeutet, dass diese Fischer nach Europa kommen, um eine bessere Zukunft zu suchen.

Es ist daher zynisch über Freihandel bzw. Zollfreiheit zu reden, wenn gleichzeitig die Existenz der Bauern, bzw. der Fischer zerstört wird. Es ist auch bekannt, dass viele frankophone Länder, obwohl sie längst die politische Unabhängigkeit erzielt hatten, nicht die Freiheit haben, ihre Gesellschaft und Wirtschaft selbständig ohne Einflüsse und Druck aufzubauen. Die jeweiligen Regierungen Frankreichs, ob Konservative oder Sozialisten, konnten in den letzten 50 Jahren keine zivilisierte Politik gegenüber ihren ehemaligen Kolonien verfolgen. Sie agieren immer noch als Kolonialmacht, und viele Länder mussten den größten Teil ihrer Währungen und ihres Goldes bei der französischen Zentralbank deponieren. Da die Währungen dieser Länder früher an den Franc, heute an den Euro gekoppelt sind, konnten sie keine selbständige Währungs- und Wirtschaftspolitik verfolgen. Insofern über die zahlreichen Problemen der Weltwirtschaft und die Rolle der internationalen Institutionen, wie des IWF und der Weltbank, bei der Zerstörung der afrikanischen Wirtschaft nicht geredet wird, lassen sich die Fluchtursachen nicht bekämpfen. Kurzum sind die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaute weltwirtschaftliche, militärische und politische Struktur, die seit den 80er Jahren verfeinerte Machtpolitik und die zunehmende Militarisierung des Staatsapparates vieler schwarzafrikanischer Länder die Ursachen der afrikanischen Misere.

Die im Namen der Terrorismusbekämpfung formulierte neue Politik zwang viele afrikanischen Länder dazu, erheblich mehr Geld für die Rüstung und Verstärkung des Sicherheitsapparates auszugeben als für sinnvolle Projekte, die in der Lage wären, tausende Arbeitsplätze für die Jugend zu schaffen. Nachdem China als konkurrierende Macht aufgetreten ist, ist die Destabilisierung Afrikas intensiver geworden. Daher ist es sehr wichtig, sich immer wieder zu fragen, ob eine solche Politik letztendlich Europa und der übrigen Welt nutzt. Mit den heutigen technologischen Möglichkeiten reichen die Ressourcen der Welt für die ganze Menschheit aus.

Das Problem liegt darin, dass die kapitalistische Akkumulation und auch die Konsumkultur, die in den letzten 50 Jahren verstärkt entwickelt worden ist, einige Länder und Konzerne dazu zwingt, die Ressourcen Afrikas und anderer Länder zu kontrollieren. Andere Länder wie China und Indien versuchen die gleiche Strategie zu verfolgen. Die zunehmende Industrialisierung, die nicht im Einklang mit der Natur und den gesellschaftlichen Bedürfnissen weltweit verbreitet wird, führt zwangsläufig zum Raubbau. Indem alle das Gleiche tun wollen ohne dabei über die Umwelt und zukünftige Generationen nachzudenken, kommt es zu Konkurrenz und gesellschaftlichen Konflikten. Die Bedürfnisse der sogenannten Mittelschicht müssen mit den tropischen Produkten, wie Bananen, Mangos, Kaffee, Tee und Kakao sowie anderen Ressourcen permanent gestillt werden, damit keine gesellschaftlichen Konflikte entstehen. Diese Art von Konsumgewohnheit, die die ganze Welt erfasst hat und auch zunehmend intensiviert wird, stresst die Natur und viele Gesellschaften. Damit wird ebenso die geistige Entwicklung vieler Gesellschaften zurückbleiben. Indem der Sinn des Lebens auf Geldverdienen und zunehmenden Konsum reduziert wird, kommt es zur Aggressivität und zu gesellschaftlichen Konflikten. Es ist daher wichtig, neue Entwicklungswege zu suchen, die im Einklang mit der Natur und den gesellschaftlichen Bedürfnissen konzipiert und praktiziert werden.

Afrika braucht keine Hilfe, was Afrika braucht ist, Ruhe!

Es ist bekannt, dass Afrika der reichste Kontinent der Erde ist. Afrika ist absichtlich arm gemacht worden. Trotz der sog. Entwicklungshilfe, die seit der 50er Jahren nach Afrika fließt, konnte der Kontinent keine selbständige Wirtschaft auf der Basis von Manufakturen aufbauen. Paradoxerweise verursacht die Hilfe eine Misere. Die Hilfe ist wie ein Krebs, der die afrikanische Gesellschaft systematisch frisst. Sie war von vornherein nicht dazu gedacht, afrikanische Länder zu befähigen, damit sie langsam, aber sicher eine funktionsfähige Ökonomie aufbauen, damit die Völker Afrikas als Menschen existieren, denken und kreativ etwas Neues schaffen können. Stattdessen raubt die Entwicklungshilfe die Fähigkeiten der Menschen, selbständig zu denken und etwas zu schaffen. Es ist der internationalen Gemeinschaft bis jetzt nicht gelungen, ein einziges afrikanisches Land mit der Entwicklungshilfe auf den Grundlagen von Wissenschaft und Technologie aufzubauen. Statt wahrer Entwicklung zementiert die Entwicklungshilfe die bestehenden Strukturen. John Abbink zeigt in seinem Buch „A Decade of Ethiopia: Politics, Economy, and Society 2004-2016“, dass die Hauptnutznießer der Entwicklungshilfe die politische Elite ist. Die meisten Helfer, die von ihrer jeweiligen Regierung nach Afrika geschickt werden, sowie die Nicht-Regierungsorganisationen(NGO), die in verschiedenen afrikanischen Länder als Entwicklungshelfer arbeiten, besitzen kein fundiertes Wissen über Soziologie, Philosophie, kein theoretisches und wissenschaftliches Wissen, wie ein Land in die Moderne zu führen ist. John Perkins hat in seinem Buch „Economic Hit Man“(2004) aufgezeigt, wie die sogenannten Helfer die politische und ökonomische Elite in die Irre führen. Die sogenannten Entwicklungshelfer bzw. Experten fühlen sich in den jeweiligen afrikanischen Ländern wie Feudalherren. Andere Helfer, die für der UNO nahestehende Entwicklungshilfeorganisationen und Charity arbeiten, sind quasi funktionslos und daher unbrauchbar.  Die Entwicklungshilfe hat an sich keine zivilisatorische und transformative Mission, stattdessen zementiert sie die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen. Länder wie Japan, Südkorea, Singapur und China, die nicht auf Entwicklungshilfe angewiesen sind, konnten eine Gesellschaft auf stabilem Fundament aufbauen. Wo sie heute stehen, ist jedem bekannt. Daher ist eine Entwicklungshilfe in dieser Form Gift für Afrika. Afrika braucht an sich keine Entwicklungshilfe, da aus Afrika Ressourcen in verschiedenen Formen nach Europa, Amerika und Kanada abfließen. Durch den Abfluss von natürlichen Ressourcen, Kapitalflucht und Sonstiges wird der Kontinent geplündert. Außerdem bleibt ein Teil der Einnahmen aus Verkäufen von Rohstoffen, wie Öl und anderen Mineralien, im Ausland. Multinationale Konzerne, die Rohstoffe  ausbeuten, bezahlen kaum Steuern, indem sie die Investitionskosten hochsetzen. Man kann daher statt Entwicklungshilfe und Freihandel ein bilaterales Abkommen mit einzelnen Ländern abschließen, die den Willen und die innere Überzeugung haben, tatsächlich Technologie und Know-how nach Afrika zu transferieren. Afrikanische Regierungen und Intellektuelle sollten die Möglichkeit erhalten, Rahmenbedingungen zu schaffen, auf welchem Gebiet jedes europäisches Land investieren kann.

Was die Verschuldung anbetrifft, braucht Afrika an sich keine Schulden. Schulden sind eine Art Knechtschaft, die die Schuldnerländer dazu zwingen, immer wieder in die Schuldenfalle zu stürzen. Schulden haben einen zerstörerischen Effekt mit verheerenden Auswirkungen auf eine Gesellschaft. Sie zeigen eine negative Auswirkung auf die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse eines Landes. Die Verschuldung Lateinamerikas in den 80er Jahren, die Länder wie Mexico, Brasilien und Argentinien erfasste, hat die Gesellschaftsgefüge in diesen Ländern zerstört. Diese Länder konnten sich bis heute nicht erholen. Diese Gesellschaften sind brutaler geworden. Die Regierungen und Politiker, die ihre jeweiligen Länder systematisch zerstört hatten, verfolgen und erschießen Bürger, als ob die einfachen Leute für diese Misere verantwortlich wären.

Daher haben Schulden mehrere Funktionen für das internationale Finanzkapital. Schuldenländer müssen Ressourcen in Form von Zinsen und Zinszinsen immer wieder nach Europa und Amerika abführen. Auch werden die Schuldnerländer gezwungen, eine Austeritätswirtschaftspolitik durchzusetzen, die die Schuldnerländer der Wirtschaftsfähigkeit beraubt. Dadurch entstehen soziale Probleme und Konflikte, die nicht einfach zu lösen sind. Länder, die gezwungen werden, ihre Währungen abzuwerten, geraten in eine Inflationsfalle. Inflationen erschweren die Lebensbedingungen der einfachen Menschen. Außerdem sind Schulden Dominanzmittel und zwingen Schuldnerländer immer wieder dazu, eine falsche und ressourcenvergeudende Wirtschaftspolitik zu praktizieren. Daher werden hoch verschuldete Länder erpresst, insofern sie nicht bereit sind, sich dem Diktat des IWF und Finanzkapitals zu beugen.

Man ist ratlos, warum sich afrikanische Länder wie Nigeria und Angola verschulden obwohl sie enorme Einnahmen aus ihren Exportprodukten wie Öl und Diamanten erzielen. Es ist wie eine Kultur geworden, dass man ohne Schulden aus dem Westen keine Projekte finanzieren kann. Die Tatsache, dass der Dollar und der Euro internationale Zahlungsmittel und Reservewährungen geworden sind, bedeutet nicht, dass ein Land ohne Schulden nicht aufgebaut werden kann. Bevor es ein internationales Medium, wie den Dollar oder Euro, als Zahlungsmittel gab, haben viele Länder Geschichte gemacht. Sie haben Hochkulturen geschaffen und damit bewiesen, dass sie durch das Denken natürliche Ressourcen umwandeln können. Sie haben kolossale Bauten errichtet, die bis heute bestehen. Alle naturwissenschaftlichen Entdeckungen und das gesamte Schaffen sind Produkte geistiger Anstrengungen. Geld, in welcher Form auch immer, ist das Produkt der Arbeitsteilung. Aber mit der Entstehung des Kapitalismus und Erfassung des Globus in seinem Radius, konnten viele Länder nicht mehr die Logik gesellschaftlicher Entwicklungen begreifen. Sie glauben und denken, dass sie ohne den Dollar und Euro wirtschaftliche Entwicklungen nicht herbeiführen können.

Die Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und in Amerika beweist aber, dass man mit seiner eigenen Währung durch eine geschickte Kreditpolitik sein Land aufbauen kann. In diesem Sinne haben alle afrikanischen Länder die Fähigkeit, ohne Verschuldung und ohne Entwicklungshilfe eine selbständige Wirtschaftspolitik, die ihren Völkern dient, durchzusetzen und eine stabile Gesellschaft aufzubauen. Anderseits muss ein Paradigmenwechsel innerhalb des politischen und ökonomischen Gebiets entstehen. Auch muss die politische Elite ihren Lebensstil ändern. Die Eliten in ressourcenreichen Ländern, wie Nigeria und Angola, geben enormes Geld für ihren verschwenderischen Lebensstil aus, das für produktive Zwecke eingesetzt werden könnte. Dieser Widerspruch, eine unnötige Verschuldung einerseits und andererseits ein verschwenderischer Lebensstil, lähmt die wirtschaftliche Entwicklung in vielen afrikanischen Ländern. Um eine sinnvolle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung herbeizuführen, müssen afrikanische Länder in Ruhe gelassen werden. Seit fünfzig Jahren stehen viele afrikanische Länder unter Dauerbeobachtung. Sie werden dazu gedrängt, immer wieder im Namen der Marktwirtschaft die gleiche Wirtschaftspolitik, die inhaltlich dieselbe ist, aber unterschiedliche Namen besitzt, zu praktizieren. Die neoliberale Wirtschaftspolitik, die viele afrikanische Länder immer wieder umsetzen, führte dazu, dass in den jeweiligen afrikanischen Ländern keine funktionsfähige Ökonomie entsteht. Auch werden afrikanische Länder gedrängt, unter dem Vorwand des Terrorismusbekämpfunng für Verteidigungszwecke und Sicherheitsapparate viel Geld auszugeben. Insofern dieser Druck aufrechterhalten bleibt und die Einmischung ausländischer Kräfte in innere afrikanische Angelegenheiten nicht beseitigt wird, kann es keine sinnvolle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung geben. Gesellschaftliche Entwicklungen brauchen Pflege wie Pflanzen. Dementsprechend benötigen auch afrikanische Gesellschaften keinen Druck von außen. Eine gestresste und unter Dauerbeobachtung stehende Gesellschaft kann sich nicht entwickeln und in Frieden leben.

 

Der Autor ist Entwicklungsökonom und politischer Analyst. Er hat über mehrere hundert Artikel auf Amharisch, Englisch und Deutsch geschrieben.

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FORUM – Inforadio
Drama oder Chance –
Folgen des Ukraine-Kriegs für Afrika


(Bild: rbb/Matthias Schirmer)

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African Predicaments & the Method of solving them effectively

 

(English) Book – 30. August 2016


 

Deutsch – Amharisch / Amharisch – Deutsch

von Fekadu Bekele und Bosena Negussie | 25. Januar 2019

 

 

Capitalism

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Fekadu Bekele

Gesellschaftsformation und Artikulation von Produktionsweisen in Äthiopien