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Entwicklung und afrikanische Renaissance!

       Fekadu Bekele(Ph D)

        21.12.2020

Einführung

Seit der politischen Unabhängigkeit haben viele afrikanische Länder südlich der Sahara mehr oder weniger die sogenannte Importsubsubstitutionsindustrialisierung (ISI) eingeführt um ihre Wirtschaft zu entwickeln. Afrikanische Regierungen wurden beraten sich auf diesen Sektor zu konzentrieren. Die Erfassung und Entwicklung der gesamten Wirtschaft ginge dann automatisch von diesem Sektor aus, der als „Growth Pol“ Strategie bekannt ist. Durch einen „Trickle-Down Effekt“ soll eine Marktwirtschaft wie in den kapitalistischen Ländern erzielt werden. Experten zufolge wird eine dynamische Mittelschicht, die vorbildlich für die ganze Gesellschaft sein wird, entstehen. Diese Mittelschicht wird in der Lage sein zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Durch die Verkettung der verschiedenen Sektoren, die als Linkages bekannt sind, werden Nachfragen nach Konsumprodukte, Rohstoffe, primär von der Landwirtschaft und zwischen Produkten entstehen. Der Staat profitiert auch von dieser gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, weil die Steuerbasis rasant wachsen wird.

Um diese Strategie des wirtschaftlichen Wachstums zu finanzieren, müssen sich afrikanische Regierungen auf dem landwirtschaftlichen und Rohstoffsektor stützen. Das Knowhow kommt aus den Industrieländern.  Nur so können afrikanische Länder südlich der Sahara von den traditionellen Wirtschafts- und Lebensweisen befreit. Die marktwirtschaftliche Entwicklung in jedem afrikanischen Land befähigt sie den Anschluss zu der wachsenden globalen Wirtschaft zu finden.

Das Versagen dieser Strategie

In der Tat konnte dieses Modell des wirtschaftlichen Wachstums bis Ende der 60er Jahren auf bestimmten Gebieten funktionieren. Bis dahin konnten viele afrikanische Länder von der Nachfrage nach Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten profitieren. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges müssten viele europäische Länder ihre Wirtschaft wiederaufbauen. Zwangsläufig wuchs die Nachfrage nach Rohstoffen, die viele afrikanische Länder ermuntert hat mit der begonnen Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung fortzusetzen. Nach dem Ende der 60er und Anfang der 70er Jahren schwächte das wirtschaftliche Wachstum in vielen Industrieländer ab. Der Wiederaufbau wurde mehr oder weniger vollendet. Zwangsläufig nahm auch die Nachfrage nach Rohstoffen ab. Hinzu verteuerte sich der Ölpreis auf dem Weltmarkt. Viele afrikanische Länder, die frühzeitig nicht dafür gesorgt hatten eine nach innen orientierter wirtschaftlicher Entwicklung voranzutreiben und ihren Exportsektor zu diversifizieren, standen vor diesen Tatsachen. Ihre Einnahmen aus dem Export von Rohstoffen brachen drastisch ein. Wegen Finanzmangel konnten sie mit der begonnenen Strategie nicht vorsetzen. Die Verteuerung der Ölpreise auf dem Weltmarkt war eine zusätzliche Belastung für den Haushalt vieler afrikanischer Regierungen. (Moyo, 2009) Um diese Schwierigkeit zu überwinden, müssten sich afrikanische Regierungen verschulden. Sie müssten Schulden entweder von den westlichen Industrieländern, oder von dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufnehmen. Die Verschuldung war nicht ohne Risiko. Um die Schulden zurück zu zahlen, müssen sie eine wachsende Einnahme aus dem Export von Rohstoffen erzielen, die ohne weiteres nicht möglich war. Um zusätzlicher Schulden aufnehmen zu können, müssen sie zudem die Bedingungen des IWF und der WB akzeptieren.

Afrikanische Ökonomen und einige Minister von den jeweiligen Regierungen die mit dem wirtschaftlichen Wachstum der ersten zwei Dekaden nicht zufrieden waren, hatten den ersten Schritt unternommen, einen gesamtafrikanischen Plan der wirtschaftlichen Entwicklung zu entwerfen. Im

Juli 1979, wurde in der als „Monrovia Declaration of Commitment of the Heads of State and Government of the OAU“, bekannten Erklärung angedeutet, wie die zukünftige Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents aussehen soll um den Bedürfnisse der afrikanischen Bevölkerung gerecht zu werden. Der „Lagos-Plan of Action for the economic development of Africa,1980-200“ (OAU, 1979) basiert auf Selbstvertrauen auf die eigene Kraft die wirtschaftliche und soziale Entwicklung voranzutreiben. Für die damals bei der Konferenz anwesenden Regierungschefs war klar, nur so kann Afrika als selbständiger Kontinent entwickelt werden und sich auf der internationalen Bühne selbst behaupten. Afrikanische Regierungen müssen nicht mehr von außen aus diktiert werden wie sie ihre Wirtschaft entwickeln. Das bis dato praktiziertes und einseitig orientiertes Modell des wirtschaftlichen Wachstums hatte nicht den notwendigen Impuls gegeben um eine balancierte wirtschaftliche Entwicklung auf Landesebene in jedem afrikanischen Land zu erzeugen. Der sogenannte Trickle-Down Effekt ist nicht eingetreten.  Nur wenige Städten, insbesondere die Hauptstädte vieler afrikanischer Länder konnten von diesem Modell profitieren. Man sieht sogar in den großen Städten eine unausgeglichene Entwicklung.  Eine dynamische Mittelschicht, die in der Lage wäre in verschiedenen Wirtschaftssektoren zu investieren, ist nicht in Erscheinung treten. Statt ein dynamisches Industrieunternehmertum, ist vielmehr eine handeltreibende Mittelschicht, die auf dem Export und Import von Waren spezialisiert ist herangewachsen. Diese entwickelte sich als Hauptakteure der Wirtschaft. Daher konnten keine ausreichenden Arbeitsplätze für die breitere Schicht der Bevölkerung, die hauptsächlich aus den ländlichen Gebieten in die Städten immigriert ist, geschaffen werden. Andererseits waren viele afrikanische Regierungen nicht im Stande diese Lücke zu füllen. Aus der Sicht der Initiatoren des Lagos Plan war es logisch eine andere Strategie zu befolgen, um die Hauptbedürfnisse, wie ausreichende Ernährung, sauberes Wasser, usw. der afrikanischen Bevölkerung zu befriedigen und auf dem Weltmarkt selbstbewusst aufzutreten.

Der Lagos-Plan konnte allerdings nicht realisiert werden, weil internationale Institutionen wie der IWF und die WB den Weg des Selbstvertrauens und Ressourcenmobilisierung aus eigener Kraft blockierten. Die beiden Institutionen, insbesondere der IWF hat die afrikanischen Regierungen mit seinem eigenen Plan, der als Strukturanpassungsprogramm (SAP) bekannt war, überzeugt. Das als „Washington Consensus“ bekanntes Programm, wurde von Premierministerin Thatcher und Präsident Reagan proklamiert. Die Hauptinitiatoren dieses Programmes unterstrichen, dass die Marktwirtschaft das einzige effektive Instrument ist, das in der Lage sei, wirtschaftliche Entwicklungen hervorzubringen.  Das Programm wurde insbesondere für latein-amerikanische und afrikanische Länder südlich der Sahara vorgesehen. Das neoliberale Wirtschaftsmodell, das diese Länder praktizieren sollen, hat angeblich eine eingebaute Dynamik, die die Kräfte der Marktwirtschaft in Gang setzen kann. Nach Angaben der neoliberalen Ökonomen verhindert die staatliche Intervention in die Wirtschaft mittel Fiskalpolitik die marktwirtschaftliche Entwicklung jedes afrikanischen Landes. Wenn afrikanische Regierungen finanzielle Unterstützung in Form von Krediten von den internationalen Institutionen erhalten möchten, müssen Sie die Bedingungen des IWF und der WB akzeptieren.

Die Bedingungen des IWF, die als „Conditionalities“ bekannt sind, (Chahoud, 1987) sind einfach, aber haben verheerende Auswirkungen. Staaten die Kredite in Anspruch nehmen wollen, müssen Betriebe die in dem Besitz des Staates sind, privatisieren. Sie müssen ihre Währungen gegenüber dem Dollar abwerten, weil die Währungen angeblich überbewertet sind. Nach der Meinung des IWF und der WB, verhindern die überbewerteten Währungen die Konkurrenzfähigkeit der Exportprodukte. Subventionen für den Gesundheitsleistungen, Lebensmittel und sonstige Produkte, müssen entweder teilweise oder voll gestrichen werden. Der Markt muss sowohl nach innen als auch nach außen liberalisiert werden.  Rahmenbedingung für ausländische Investoren müssen geschaffen werden. Nach der Überzeugung dieser Institutionen und der internalen Gemeinschaft, kann dieses Programm, wenn es richtig umgesetzt wird, Wunder bewirken. Ob diese Maßnahmen etwas mit einer wirklichen Wirtschaftspolitik zu tun haben, die in der Lage ist jedem afrikanischen Land zu befähigen um einer leistungsfähigen Wirtschaft aufzubauen, können die Experten allerdings nicht beweisen. Effiziente und demokratische Institutionen, eine sich entwickelnder Arbeitsteilung, städtische Entwicklungen und gut vernetzte Infrastrukturen sind Voraussetzungen für eine leistungsfähige Wirtschaft.(Feldman, & Hadjimichael, 2016, Schumpeter, 1993)    Kritisch denkender Ökonomen, nennen dieses Programm des IWF und der Welt Bank „Shock Doctrine (Klein, 2001) weil das Programm die erhoffte Wirkung nicht erzeugen kann. Stattdessen wird die wirtschaftliche Aktivität verzerrt. Ressourcen werden einseitig kanalisiert. Afrikanische Länder werden verdammt sich nur auf Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte zu spezialisieren.  Viele kritisch denkende Ökonomen beweisen wiederum, dass Spezialisierung auf dem Rohstoff Sektor die Unterentwicklung zementiert. (Reinert, 2007)   Investitionen die für eine ausgeglichene wirtschaftlicher Entwicklung notwendig sind, werden nicht stattfinden. Ausländischer Investoren bevorzugen in den Wirtschaftssektoren zu investieren, wo keine Wertschöpfung entsteht. Die Verschuldung der Staaten gegenüber den beiden Institutionen und westlichen Regierungen nimmt zu. Der Import von Waren, infolge eines neuen Konsumverhalten hat enorme Auswirkungen auf die Handelsbilanz. Versteckte Arbeitslosigkeit, die Verbreitung eines informellen Sektors, Slumbildung und zunehmende Armut einerseits, und andererseits Konzentration von Reichtum in wenigen Händen sind die Kehrseiten des Strukturanpassungsprogramms. (Bandow, & Vásquez, 1994) Die wirtschaftliche Situation in vielen afrikanischen Länder beweisen, dass diese Länder weit entfernt von einer gesunden Marktwirtschaft sind, die auf Wissenschaft und Technologie gestützt ist.  Die Einführung von neuen Programmen wie den Millennium Development Goals 2015(MDG) (UNO, 2000) und den Nachhaltigkeitszielen der UNO  (UNO, 2015) konnte die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in vielen afrikanischen Länder nicht vorantreiben. Die schön formulierten Ziele sind auf dem Papier geblieben. Alle diese Programme konnten nicht funktionieren, weil sie die Bedürfnisse der afrikanischen Bevölkerung nicht im Mittelpunkt stellten. Die Programme sind nicht endogen nach langen intellektuellen Auseinandersetzungen entstanden, sondern wurden in Washington und sonstigen westlichen Metropolen formuliert. Sie entsprechen nicht der Realitäten der afrikanischen Länder. Es wurden kaum die Ursachen der Unterentwicklung thematisiert und analytisch dargestellt. Die beiden Hauptakteure, nämlich der IWF und die WB haben die Rezepte geschrieben ohne die Ursachen der Krankheit zu kennen. Somit haben sie die wirtschaftlichen und sozialen Situationen verschlimmert.

Die Suche nach einem geeignetem Entwicklungsmodell

Nach wiederholten Enttäuschungen wurden afrikanische Regierungen gezwungen ihren eigenen Weg zu gehen. Der als „New African Initiative“ bekannter Plan wurde im Juli 2001 in der afrikanischen Union (OAU) besprochen. Der frühere Präsident von Südafrika Thabo Mbeki konnte die anderen afrikanischen Präsidenten mit seinem Vorhaben überzeugen, das Afrika ein neues Entwicklungsmodell braucht, das er „African Renaissance“ getauft hatte. Obwohl dieses Konzept nicht neu ist, (Louw,2004) ist es dennoch als einen großen Durchbruch anzusehen, dass endlich die von außen entwickelten und diktierten Wirtschaftsmodellen in Frage gestellt werden. Frühere Präsidenten, wie Kwame Nkrumah, Präsident Julius Nyerere und Präsident Kenneth Kaunda, um einige zu nennen, wollten ein anders Model der wirtschaftlichen Entwicklung in ihren jeweiligen Ländern praktizieren. Die koloniale Vergangenheit verhinderten den Weg der wirtschaftlichen Entwicklung, die viel mehr Gerechtigkeit und Solidarität in den Mittelpunk stellen sollte. Zudem waren die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Situationen ein großes Hindernis den Traum einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung zu realisieren. Der Druck von außen war enorm. Die internationalen Institutionen wie der IWF und die WB, die vielmehr als Machtinstrument der USA (Tetzlaf, 1983) dienten, waren nicht hilfreich in dieser Hinsicht. Im Vergleich zu den asiatischen Ländern, wie Süd-Korea, Japan und Singapur, die wirtschaftlich und gesellschaftlich den richtigen Weg der Entwicklung eingeschlagen haben, und auch auf dem Weltmarkt in vieler Hinsicht konkurrenzfähig sind, wurden afrikanische Regierungen immer wieder verhindert ihren eigenen Weg der wirtschaftlichen Entwicklung zu realisieren. Einige afrikanische Länder, insbesondere die frankophonen Länder, werden immer noch wie zu Zeiten der Kolonialzeit behandelt. Ihre Währungen waren früher an den französischen Franc und werden jetzt an den Euro gekoppelt. Das heißt, sie können sowohl monetär und als auch fiskalpolitisch nicht eigenständig handeln. Den großen Teil ihrer im Ausland erzielten Devisen müssen sie bei der französischen Zentralbank deponieren.

Hinsichtlich der rasant wachsenden Bevölkerungszahl auf dem afrikanischen Kontinent, wo mehrheitlich eine junge Generation lebt und neue Hoffnungen sucht, ist es daher logisch ein alternatives wirtschaftliches Modell zu entwerfen welches dem Anspruch dieser jungen Generation gerecht wird. Daher ist „African Renaissance“ die richtige Antwort, um den von wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Krisen geplagten Kontinent zu verändern.  Die von außen entwickelten und diktierten wirtschaftlichen Modellen hatten neue sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Krisen produziert, die kaum mit dem herkömmlichen neoliberalen Wirtschaftsmodell zu lösen sind.

Die Idee der Renaissance ist im Europa zwischen 14-16 Jh. entstanden. Der Begriff beinhaltet, die alte griechische Klassik, wie Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaft, Architektur, Poesie und Drama als neue Grundlagen der gesellschaftlichen Entwicklung neu zu beleben und weiter zu verbreiten. Das von Pest, kriegerische Auseinandersetzungen, despotische Herrschaftsformen und der katholischen Religion geplagte Europa brauchte, ein humanistisches Gesellschaftsmodell, damit eine neue Dynamik auf dem europäischen Kontinent entstehen kann. Die „African Renaissance“ ist allerdings im Vergleich zu der europäischen Renaissance nicht allumfassend. Sie ist dennoch zeitgemäß für den Kontinent, der immer noch nicht das richtige gesellschaftliche Modell der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gefunden hat. Man kann die African Renaissance auch als eine Art holistisches Modell (Bekele, 2016) begreifen, weil in gewisser Hinsicht viele gesellschaftliche Aspekte, wie Politik, Soziales, Wirtschaft und Kultur und andere angesprochen werden.  Andere interpretieren die African Renaissance eher als die Wiedererweckung (Reawakening of Africa) (Barell, 2000)   des Kontinents. Beide Konzepte, nämlich de „African Renaissance“ als auch „Reawakening Africa“ wären passend, wenn man theoretische und wissenschaftliche Grundlagen gegeben hätte. Laut Anta Diop hatten die alten Griechen wie Platon, Pythagoras und andere ihr Wissen in Ägypten, damals von den schwarzen Pharaonen regiert wurde, erworben (Harding, & Reinwald, 1990) In seinem umfassenden Werk beweist auch Martin Bernal(1987) die Beziehungen zwischen den alten Ägyptern und den Griechen. In seinem Buch als „Black Athena“ behauptet Bernal, dass Griechenland eine Kolonie des schwarzen Ägypten war. Es wäre dann nicht verkehrt, die griechische Philosophie, Naturwissenschaft, Kunst, Mathematik und sonstige als weitere Entwicklung des ägyptischen Geistes anzuerkennen und als Hauptgrundlage für die geistige Erneuerung Afrikas und für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen des Kontinents zu benutzen.  Da die Menschheitsgeschichte noch nicht abgeschlossen ist, und auch viele Ökonomen und Philosophen einen alternativen Weg der wirtschaftlichen Entwicklung überzeugend formulieren, wäre es meiner Meinung nach, nicht verkehrt die „African Renaissance“ neu überzudenken und weiter zu entwickeln. (Kate, 2017)

Trotzdem haben Präsident Thabo Mbeki und Co. die richtigen Fragen gestellt, dass der afrikanische Kontinent nicht mehr den gewohnten Weg des Neoliberalismus gehen kann und darf. Hinsichtlich der Vielsichtigkeit der Probleme kann die pure Marktwirtschaft als Instrument der Wirtschaftspolitik nicht die grundlegenden Probleme des Kontinents beseitigen. Die meisten international bekannte Ökonomen, die das Modell des Neoliberalismus als einziges brauchbares Wirtschaftsmodell rechtfertigen, reduzieren alle Gesellschaften nur auf einen einzigen Aspekt, nämlich dem der Marktwirtschaft. In Ihrem Modell existieren, Politik, Kultur, Soziales und Gesellschaft kaum. Die Marktwirtschaft kann ohne Moral, Kultur, Sozial und Politik funktionieren, und insbesondere kennt die Marktwirtschaft keine Moral. Nach Meinung der neoliberalen Ökonomen sind Moral und Ethik keine wissenschaftlichen Begriffe. Das neuste Buch von Binyamin Appelbaum, „The Economists’ Hour“, zeigt wie fatal es sein für eine Gesellschaft wird, wenn ein Land auf eine reine Spielarena der Kräfte der freien Marktwirtschaft reduziert wird. (Appelbaum, 2019)

Hinsichtlich der komplexen Probleme der afrikanischen Gesellschaft, und der politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, psychologischen und ökologischen Schäden, die in der letzten 60 Jahren entstanden sind, darf man nicht mehr wegschauen. Der Kontinent wurde auf ein Experimentierfeld degradiert. Die Menschen wurden nicht als Menschen betrachtet. Ohne Beachtung ihrer primären Bedürfnisse, die für das Existieren als Menschen notwendig sind, sind im Namen der Marktwirtschaft wirtschaftliche Maßnahmen eingeführt worden die nicht das geringste mit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung zu tun haben. Die von außen eingeführten und umgesetzten wirtschaftlichen Maßnahmen haben das kreative Potential der Menschen blockiert. Die politische Elite der letzten 30 Jahren hat einfach das Diktat des IWF und der WB, und der internationalen Gemeinschaft akzeptiert, ohne dabei zu prüfen ob die jeweiligen wirtschaftlichen Maßnahmen die brennenden Fragen der Menschen, wie ausreichende Nahrung, sauberes Wasser, angemessene und gut gebaute Wohnungen, Schule, medizinische Versorgung, und viele andere mehr beantworten kann. Der Effekt dieser Art von Wirtschaftspolitik ist Massenverelendung, Ressourcenvergeudung und unnötige Verschuldung, die zu mehr Abhängigkeit führt. An sich besitzt jedes afrikanische Land genügend Ressourcen und Know-how um gute gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, wo man friedlich und gerecht leben kann. Es ist daher notwendig eine Kehrtwendung von der bisherigen Praxis der Wirtschaftspolitik à la IWF und der WB zu machen.

Daher soll wirtschaftliche Entwicklung als prozess-artige Entwicklung, die sich allseitig verbreiten kann, verstanden werden. Sie muss von innen heraus bewusst kultiviert werden, damit organisches Wachstum stattfinden kann. Um nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, müssen in erste Linie die Grundbedürfnisse der Massen in jedem afrikanischen Land beantwortet werden. Eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung setzt ein zirkuläres Modell voraus. Mit anderen Worten, die Produkte müssen recyclebar sein. Wirtschaftliche Entwicklung darf nicht von dem Rest der gesellschaftlichen Entwicklungen isoliert angesehen werden. Entwicklungsplanung darf nicht den sog. Experten überlassen werden. Eine tatsächliche Entwicklung erfordert Massenpartizipation. Um die Massenpartizipation zu ermöglichen, muss eine Alphabetisierungskampagne eingeführt werden. Wenn die Massen aufgeklärt und bewusst sind, können sie in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Materielle und spirituelle Entwicklungen müssen in Einklang gebracht werden, damit die afrikanische Renaissance Wirklichkeit werden kann. In diesem Sinne soll die alte afrikanische Philosophie, die als Ubuntu bekannt ist, revitalisiert werden. Werte wie Mitgefühl, Selbstlosigkeit, Nächstenliebe und Solidarität sind die Grundvoraussetzungen für eine afrikanische Renaissance.

Der Autor, Fekadu Bekele ist promovierter Entwicklungsökonom, arbeitete als Lehrbeauftragter, Publizist, und lebt in Berlin. Er publizierte zahlreiche Artikel und verfasste das Buch: African Predicaments and the Method of solving them effectively. Er besitzt seine eigene Website. www.fekadubekele.com.

Literatur

Appelbaum, B., The Economists᾽ Hours: Fals Prophests, Free Markets, and the

                    Fracture of Society, USA, 2020

Bekele, F., African Predicaments and the Method of solving them effectively, Berlin, 2016

Bandow, Doug & Vasquez, Ian, Perpetuating Poverty: The World Bank, the IMF and the

                    Developing World, USA, 1994

Bernal, M., Black Athena: The Afroasiatic Roots of Classical Civilization

                   New Brunswick, New Jersey, 1987

Chahoud, T., Geschäftsbanken und IMF-Das Imperium schlägt zurück,

Altvater, E.et al., Die Armut der Nationen: Handbuch zur Schuldenkrise

Von Argentinien bis Zaire, Berlin, 1987

Feldman, M. & Hadjimichael, T., The Logic of economic development: a definition and

Model for investment, in Environment and Planning C: Government and

Policy 2016, volume 34, pages 5-21

Harding, Leonhard & Reinwald(Hg), Afrika -Mutter der Europäischen Zivilisation?

Die Rehabilitierung des Schwarzen Kontinents durch Cheikh Anta Diop,

Berlin, 1990

Klein, N., The Shock Doctrine, New York, 2007

Louw, Col, The Concept of African Renaissance as a Force Multiplier to Enhance Lasting

Peace and Stability in Sub-Saharan Africa, White Paper on National Defence

For the RSA, May 1996

Moyo, D., Dead Aid: Why Aid is not working and how there is a better way for Africa,

New York, 2009

OAU, Lagos Plan of Action for the Development of Africa, 1980-2000, Addis Abeba, 1979

Raworth, K., Doughunt Economics: Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist,

London, 2017

Schumpeter, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin 1993

Reinert, E., How Rich Countries Got Rich… and Why Poor Countries Stay Poor,

London, 2007

Tetzlaf, R., Die Welt Bank: Machtinstrument der USA oder Hilfe

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